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Kaestner am Sonntag
2006-02-17 @ 1:13 a.m.

Das Erich Kaestner-Museum am Albertplatz nimmt das Erdgeschoss der Villa von Erich Kaestners reichem Pferdehaendleronkel ein (im Besitz einer Krankenkasse, und rekonstruiert durch diese, in der DDR zeitweise Bettenlager, wenn ich recht gehoert habe, dann leerstehend). Auf der Gartenmauer sitzt eine Statue von Erich Kaestner, wie er als Junge den Albertplatz beobachtet, der damals neben der Strassenbahnhaltestelle mit Bananenstauden und Lustwandelinfrastruktur ausgestattet war.
Heute ist der Albertplatz umstanden von, entgegen dem Uhrzeigersinn vom Museum aus, den Ruinen der Nachbarvillen, einem Buergerhaus mit stuckbereinigter Fassade, verschiedenen aelteren kleinen, ein bisschen historisierenden Plattenbauten, einer zweiten rekonstruierten Villa mit gigantischem gewaechshausartigem Wintergarten, in der heute eine Bank und das Buero einer weiteren Krankenkasse sind, mehr Plattenbauten und dem leerstehenden, den Dresdner Verkehrsbetrieben gehoerenden 'Hochhaus am Albertplatz' von 1929, demgegenueber ich Gefuehle warmer Ruehrung hege, denn es erinnert mich an den Wolkenkratzer in Pippi Langstrumpfs kleiner, kleiner Stadt.
Auf dem Albertplatz selbst ist der Strassenbahnhof, umgeben von struppigen Gruenflaechen und den beiden alten Monumentalbrunnen Stuermische Wogen und Stilles Wasser, mit herumwallenden oder kontemplierend miteinander verschlungenen Meeresgestalten. In der Hauptsache schaut die Kaestnerstatue auf infernalischen Autoverkehr, der am Albertplatz wie ueberall sonst das Leben vollkommen dominiert. Vielleicht haette ihm das sogar gefallen, aber man selbst ist ja so undankbar.

Man kann sich immer damit troesten, dass man mit grosser Sicherheit nicht in einer Villa gewohnt oder auch nur besuchsweise gewesen waere und sich nicht zwischen Bananenstauden ergangen haette, sondern irgendeine Jammergestalt gewesen waere, die im Hinterzimmer einer Kellergemuesehandlung Kartoffeln abbuerstet, und insofern kann man seine bloede feingeistige Betroffenheit bezueglich des ganzen chaotischen Herunterkommens natuerlich vollkommen stecken lassen.

Das Museum ist uebrigens niedlich, es ist ein kleiner Raum mit lauter speziell geschaffenen hoelzernen Schranksaeulen, in deren Faechern und Schubkaesten Fotos und Dokumente liegen, die man herausziehen und betrachten kann. Wenn man also zufaellig mal einen Tag ueber hat, kann man dort hineingehen und sich Erich Kaestners Promotion ueber die Erwiderungen auf Friedrichs des Grossen Schrift 'De la litterature allemande' durchlesen, oder ein Kinderbuch, das seine Freundin verfasst hat, von dem aber gemunkelt wird, er haette daran mehr oder weniger stark mitgeschrieben, denn er konnte ja in Nazideutschland nichts veroeffentlichen, aber wer sagt denn, dass er nicht das Beduerfnis hatte, es trotzdem zu tun, oder eine groessere Auswahl der gezwungen heiteren Briefe, die er seiner Mutter taeglich geschrieben hat, damit sie sich nicht umbringt, oder einige Nummern der Jugendzeitschrift 'Pinguin', die er nach dem Krieg im Westen herausgegeben hat, oder zwei richtig smarte Filmkritiken, von "Professor Unrat" und "Kuhle Wampe", oder "Mein Leben" von Reich-Ranicki mit einem Kapitel ueber Kaestner und sein ein klein wenig trauriges Ende in den Klauen der Trunksucht. Oder man kann ein Video reinwerfen, Das doppelte Lottchen oder die Fabian-Verfilmung oder tausend andere Sachen aus den fuenfziger Jahren, oder 'Dresden in alten Filmaufnahmen', allerdings ist das nicht sehr bequem, denn sie haben kein Sofa und garnichts bei ihrem Videofernseh, nur die nackte Wand.
Also ich meine, wenn man mal in Dresden ist und einen Tag ueber hat, kann man sich ruhig das ansehen anstelle der dummen Frauenkirche oder des bloeden Gruenen Gewoelbes, wo man nur verstaendnislos und befremdet durchschlurft. Auch wenn man sich nicht so wahnsinnig fuer Kaestner interessiert, interessiert man sich ja wohl fuer das Leben, und im uebrigen, wird nicht fast jeder Mensch interessant, wenn man nur ueber die richtige Sorte Information ueber ihn verfuegt? Wie??? Das Museum hat eine Webseite, auf der der besessene Ire, der es konzeptiert hat (!) irgendein schauderhaftes Kauderwelsch ueber das Micromuseum(TM) von sich gibt, aber es ist trotzdem und wirklich niedlich und eine feine Sache.

Als wir rausgehen, machen sie gerade die Einfuehrung fuer ein paar andere Menschen. Diese eine Westfrau fragt, ob es stimme, dass Kaestner nach 1950 nicht mehr nach Dresden gekommen sei, weil er mit dem 'System' nicht einverstanden gewesen waere. Die Fuehrungstante gibt ihr eine angstvoll verwirrte und ewig redundante Antwort, aus der irgendwie hervorgeht, dass er ein Kind Dresdens gewesen sei und deshalb immer wieder, und gern!, nach Dresden gekommen waere (seine Mutter lebte hier), auch wenn er mit den politischen Verhaeltnissen - selbstverstaendlich - nicht einverstanden gewesen sei, 'aber er hat sich immer als Kind Dresdens gesehen', und auch sie verwendet auf peinvolle Weise immer wieder das Wort 'System'. Das daemonische System. Sag DDR, Schlampe. Los! SAG DDR!
Die andere Fuehrungstante, die ein bisschen klarer im Kopf war, hatte uns gesagt, dass er zu Lesungen eingeladen gewesen sei, und dann haetten sie angefangen, ihm vorzuschreiben, was er lesen sollte, und seitdem waere er in der DDR nicht mehr oeffentlich aufgetreten.

Ob natuerlich Kaestner als Schriftsteller jetzt so eine richtig grosse Nummer ist Puenktchen Puenktchen Puenktchen. Fabian hat mich ja mehr oder weniger durch meine Pubertaet gebracht, ich habe keine Ahnung, auf welcher Basis und wie und warum und was das alles bedeutet, aber ich vermute fast, ohne es jedoch wieder gelesen zu haben!, dass es ein ganz schoener Schrott sein koennte. Was ich wiedergelesen habe, das sind die Kinderbuecher, und die finde ich im Grunde genommen ziemlich entsetzlich. "Hans-Georg kam mit der Maehmaschine und winkte seiner Grossmutter zu. Dann schob er sie in den Schuppen. Die Maehmaschine, nicht die Grossmutter." Ja, haha.
Obwohl nein, Das doppelte Lottchen, das ist gut. Ich habe das meinen weitgehend verstaendnislosen Toechtern vorgelesen und dabei pausenlos vor Ruehrung gewuergt. Wie Lotte als letzte aus dem Bus aussteigt, ernst und selbstaendig. Oder 'Ein Wochenende wie lauter Himbeeren mit Schlagsahne'. Oder: Shirley Temple durfte sich ihre eigenen Filme nicht ansehen. (Das war ein Gleichnis, bezugnehmend auf die Kritik, dass man fuer Kinder nicht ueber Ehescheidungen und so schreiben duerfe. Ich weiss noch, wie ich das als Kind gelesen habe und es trotz aller Anstrengung nicht schaffen konnte, dieses Gleichnis zu verstehen, obwohl mir schon klar war, dass es irgendwas bedeutet. Ich schaffte es einfach nicht und nicht!! Soviel zu manchem!) Oder: Und lauter Zwillinge! Also da kommen mir ja buchstaeblich jetzt in diesem Moment schon wieder die Traenen.
Puenktchen und Anton ist komische Sozialromantik, am Ende raeumen die Reichen den Armen zwei Stuben in ihrer Villa ein. Damit nicht genug, wird es immerzu unterbrochen von diesen krankmachenden kursiven Nachdenkereien ueber moralische Fragen.
Emil und die Detektive ist eher bloed, aber es wird an Bloedheit noch bei weitem uebertroffen durch Emil und die drei Zwillinge. Beide haben sie diese perverse Besessenheit mit Massenszenen, die Klimax findet jeweils statt, indem eine riesige Menge von Kindern sich um einen kleinen Kern von Fuehrerpersoenlichkeitsjungen mit dem Plan schart, und alle wollen nur eins, naemlich dabeisein und mitmarschieren. Also ich meine, 1929, hallo, knock knock undsoweiter. Ich persoenlich finde das gruslig.
Aber waehrend Emil und die Detektive immerhin eine Story hat, die am Anfang anfaengt und am Ende aufhoert und in der Mitte ein paar interessante Begebenheiten aufweist, ist Emil und die drei Zwillinge wirklich bloss ein Vehikel fuer den erneuten Auftritt dieser Emilgesellschaft. Es zieht sich eeewig hin, und ungefaehr zwei Drittel des Buches gehen dahin ueber qualvollen Beschreibungen des banalboesen Lebens in einer barbarischen Zeit. Das Dienstmaedchen wird im Namen der Lebensfreude und des gesunden Humors systematisch gequaelt. Niemand kann sich vorstellen, wozu dieser kleine Pavillon am Ende des Gartens wohl gut sein soll, bis Gustav in ihm schliesslich die ideale Garage fuer sein Motorad ausmacht. Gustav erzaehlt einen Schlag aus seiner Schule, wo er in seiner Klasse 'so eine Art hoehere Gewalt' sei, 'die Exekutive', und also waehrend eines physikalischen Experiments, 'es sollte irgendwas mit elektrischen Funken gezeigt werden', einen enormen Faustschlag, der eigentlich als Strafe der 'Exekutive' fuer den petzenden Streber gedacht war, versehentlich dem Professor Kaul verpasste, und spaeter beim Direktor tief in seiner Ehre gekraenkt war, weil man ihn deswegen heimtueckisch nannte, denn wenn jemand heimtueckisch sei, dann sei es ja wohl 'der Vorzugsschueler Mehnert', 'Und sie koennten ja in den Physiksaal gehen und sich die Ueberreste ihres Lieblings geruehrt betrachten', woraufhin ihm das ganze Schulkollegium sofort schmunzelnd verzieh. Ich nehme an, weil wir mehr solche einfachen und aufrechten Jungen brauchen. Auch Kapitaen Schmauch, der gemuetvolle Kaept'n, findet das alles ganz super patent.
Mir war es teilweise wirklich regelrecht unangenehm, meinen ahnungslosen kleinen Maedchen diesen barbarischen Nazi- oder meinetwegen Proletkultscheiss vorzulesen. Schuettel!

So, und jetzt streue ich noch irgendeinen subtilen Hinweis darauf ein, dass ich den New Yorker abonniert habe, und dann ist meine Arbeit hier fuer heute getan! Und fuer die naechste Woche auch, denn ich werde fort sein!

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Koennte ich natuerlich auch selber tun, aber gerade eben habe ich diesen irrsinnigen Armkrampf...

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