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Einem Geistesmenschen nimmt das Land alles
2006-06-03 @ 1:22 a.m.

Als ich heute um halb neun vor die Tuer trat, herrschte eine magische Stille. Drei weisse Federwolken standen am hellblauen Abendhimmel, ueber der Bautzner Strasse war das Licht golden wie auf einer modernen Ikone. Ein Mann auf der anderen Strassenseite photographierte den Lutherkirchtum und ich sagte mir, ja, den wuerde ich jetzt auch photographieren, waehrend ich im allgemeinen fuer die Motive, die andere Menschen sich zum Photographieren auswaehlen, nur uebelwollendes Schnauben uebrighabe.
Dann war nur die Ampel rot gewesen. Was aber natuerlich genau der Punkt ist.

Benjamin liest gehaessig vor: Einem Geistesmenschen nimmt das Land alles und gibt ihm (fast) nichts, waehrend die Grossstadt ununterbrochen gibt, man muss es nur sehen und naturgemaess fuehlen, aber die wenigsten sehen das und sie fuehlen es auch nicht und so zieht es sie auf die abstossend sentimentale Weise auf das Land, wo sie in jedem Fall geistig in der kuerzesten Zeit ausgesaugt, ja ausgepumpt und schliesslich und endlich zugrundegerichtet werden. (Bernhard, Wittgensteins Neffe)

Was die Leute natuerlich ueberwiegend machen ist, sich fuer leidenschaftliche Stadtmenschen ausgeben, die ohne die kulturellen Angebote der Grossstadt nicht existieren koennten, oder gar ohne das vollkommen totgehetzte Flanieren, womit sie mehr oder weniger meinen, dass sie in ueberteuerte Abziehlokale einkehren und Photos von Gullideckeln, Strukturen und originellen Schildern machen oder sich im Kino Schrottfilme ansehen und auf andere Weise von Unterhaltern die Zeit vertreiben lassen muessen und vollkommen neben der Spur von dem sind, was wirklich passiert. Ich meine, ach Gott. Immer wenn ich durch die Luisenstrasse gehe, moechte ich nur im Wald sein. Trotzdem macht mir Benjamin Angst. Das ist ja im Moment ohnehin mein Thema, dass ich verbloede, weil ich keine Eier mehr steche, da das Eierstechen zwar ein auf grandiose Weise sinnloses und stupides Projekt war, aber mich immer wieder unheimlich aufgemoebelt hat, am meisten vermutlich dadurch, dass ich mir jeden Tag sorglos zwei Stunden lang Gedanken darueber machen konnte, was ich in mein Journal einschreiben will, aber natuerlich auch durch die geistigen Triumphe, die man feiert, wenn sich herausstellt, dass sich die Aktivierungskinetik von Shaker 5aa durch ein einfaches Vierschrittmodell beschreiben laesst, die von Shaker ILT hingegen durch ein Einschrittmodell, so dass man unter Wegbuegeln aller verbleibenden Ungereimtheiten die wohlfeile Theorie aufstellen kann, in 5aa sei die Oeffnungsbewegung des vierfach vorhandenen elektrischen Spannungssensors, in ILT hingegen die der Kanalpore kinetisch von den anderen Schritten isoliert, so dass sich die beiden Mutanten als Monitore der Abhaengigkeit der jeweiligen Schritte vom mechanischen Spannungszustand der Membran verwenden lassen, wobei sich dann wiederum herausstellt, dass bei Dehnung der Membran scheinbar der eine Schritt beschleunigt und der andere verlangsamt wird. Ungeachtet dessen, dass nie jemand danach gefragt hat, sich kein Mensch, der nicht ebenfalls sein Brot mit dem Unfug verdient, auch nur fluechtig dafuer interessiert und sich daraus keinerlei Konsequenzen fuer irgendwas ergeben, ist das natuerlich immer noch eine Taetigkeit, die einen profund hochstehender duenkt (Mitbauen am Gebaeude des Weltwissens!) als sich um die Kinder anderer Leute zu kuemmern, waehrend diese wichtige Projektbesprechungen haben oder Immobilien im Wert steigern, indem sie in ihnen hippe kulturelle Veranstaltungen organisieren.

Bei aller Begeisterung fuer die unmittelbare Nuetzlichkeit und bodenstaendige Poesie meiner jetzigen Taetigkeit ist es natuerlich unheimlich schwer, sich in einen Zustand so gesegneter Extase hineinzuhypen, dass einen das archaische Arschkartengefuehl, das aufkommt, wenn man denkt, Moment mal, diese Leute wollen ihre Kinder loswerden und ich hab sie jetzt, ueberhaupt auch nicht einmal ansatzweise jemals befaellt. Aber so wollte ich das ja haben, und jetzt kann mir das ganze Internet, sofern es kehrt, beim geistigen Abbau zusehen. Geistig bin ich schon aufs Land gezogen, und am Ende ziehe ich vielleicht wirklich dorthin, weil es mich naemlich unheimlich stoert, dass mich jemand dabei beobachten koennte, wie ich Abend fuer Abend wie eine der kleinen mechanischen Figuren aus Pate Drosselmeiers kunstreichen automatischen Pavillons aus unserer Haustuer trete, damit Zeb vor dem Zubettgehen noch im Rinnstein pinkeln kann.

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Koennte ich natuerlich auch selber tun, aber gerade eben habe ich diesen irrsinnigen Armkrampf...

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