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In den Gefilden provinzieller Hochkultur: Prinz Friedrich von Homburg
2006-10-19 @ 9:20 p.m.

Benjamin wollte Prinz Friedrich von Homburg im Theater ansehen. Ich dachte, er waere von den Plakaten angelockt worden, auf denen der Prinz sich niedlicherweise eine (generische) Papierkrone aufprobiert, aber das war wohl doch nicht der Fall. Er wollte es einfach so sehen. Weil er Kleist mag. Und weil wir diese totalen Protestanten sind, haben wir es erst zuhause mit verteilten Rollen gelesen. Karla kam dazu, und, so suess, wollte auch mitlesen. Sie durfte, stolper stolper, Prinzessin Natalie lesen -

Was deine Huld, oh Herr, so rasch erweckt,
Ich weiss es nicht und untersuch es nicht.
Das aber, sieh, das fuehl ich in der Brust,
Unedel meiner spotten wirst du nicht:
Der Brief enthalte, was es immer sei,
Ich glaube Rettung - und ich danke dir.
Dann wollten fatalerweise beide Kinder ins Theater mitkommen, und so sind wir erstmals also nicht in die Weihnachtsvorstellung irgendeines kinderkompatiblen Werkes gegangen, sondern zu Prinz Friedrich von Homburg.
Natuerlich war es furchtbar.

Wenn ich ein Kleiststueck auffuehre, koennte ich mich natuerlich bemuehen, es mit etwas Sensibilitaet fuer die Zeit, in der es spielt, und fuer die Geschichte, die erzaehlt wird, zu inszenieren. Natuerlich kann es dann sein, dass man bei einer Art von Theater am Kurfuerstendamm-Kostuemstueck-Buchstaeblichkeit landet, oder dass die Leute jedenfalls behaupten, man sei dort gelandet. Ich wette aber, dass das den armen Omas und Opas, mit denen das Dresdener Schauspielhaus fast bis auf den letzten Platz gefuellt war, in jedem Fall richtig gut gefallen haette.
Aber das ist ja ach so unkuenstlerisch, und man strengt sich ja auch ungern geistlich an, daher muss man auf alles Buehnenbild mit Ausnahme eines hoelzernen Laufstegs verzichten und die Schauspieler in Hosen und Hemden ihren Text kraehen lassen wie in einer Heiner Mueller-Inszenierung. Alle muessen steif dahinschreiten, wenn sie nicht gerade bedeutungsvoll abgezirkelte hysterische Gefuehlsausbrueche haben, waehrend helle Scheinwerfer ihre Schatten gross an den Buehnenhintergrund werfen. Dann stellt sich die zeitlose, sozusagen abstrakte kulturelle Signifikanz von ganz allein ein.
Schlimm war auch, dass sie den Text noch und noch gekuerzt haben und dafuer Stellen eingefuegt, in denen alle niederfallen und mehrere Minuten lang das Vaterunser beten, und dass sie alle kleinen Rollen eingespart haben und dass der Graf Hohenzollern ausserdem auch noch alle anderen mittleren Rollen darstellte, und dass sie nicht wenigstens einen Greis gefunden haben fuer den Obristen Kottwitz, ich meine, mein Gott, es wird doch wohl ein paar Greisendarsteller geben, so dass der Obrist Kottwitz nicht unbedingt jemand sein muss der aussieht wie ein Mittelbau'ler vom Max Delbrueck Zentrum.

Ich meine, ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung, warum man dieses Stueck ueberhaupt auffuehren sollte und was eigentlich die zeitlose Signifikanz davon ist. Es geht darum, dass dieser Prinz Homburg in einer Schlacht mit den Schweden befehlswidrig eigenmaechtig handelt (trotzdem, oder deswegen, das bleibt unklar, wird die Schlacht gewonnen). Dafuer will ihn der Kurfuerst von Brandenburg, dessen Protege er ist, nach Kriegsrecht zum Tode verurteilen lassen. Nun fleht er um Gnade, aber alle appellieren an seine Ehre, und schliesslich schickt er sich mannhaft in den Tod, woraufhin er nicht erschossen, sondern in tatsaechlicher Wiederholung einer anfaenglichen Traumszene mit Lorbeer gekroent wird. Alle rufen: In Staub mit allen Feinden Brandenburgs. Also das war alles sozusagen nur eine paedagogische Bemuehung des Kurfuersten, um dem jungen Prinzen zu mehr ehrenvoller Mannhaftigkeit zu verhelfen.
Das einzige, was man neben der, sozusagen, werkgetreuen Auffuehrung fuer meine Begriffe damit noch machen koennte, ist, es irgendwie so drehen, dass das Ende nicht als unser aller Traumaufloesung dargestellt wird, sondern als erfolgreich abgeschlossener Einkauf des Prinzen in die boese Delusion, es sei prima und wuerdevoll, fuer das preussische Vaterland und dessen Gehorsamsforderungen zu sterben. Aber so richtig interessant finde ich das auch wieder nicht. Und wie man es auch immer drehen will, man kommt nicht umhin, die Beziehungen zwischen den Charakteren so schauspielermaessig ein bisschen darzustellen, und zwar wenn moeglich piano, piano, und das geht einfach nicht, wenn alle sich die ganze Zeit anblaffen muessen.

Peinlichste Szene: die Kurfuerstin in ihrem abscheulichen tuerkisfarbenen Abendkleid tritt am Ende ans Mikrophon und singt 'Stars shining bright above you', schrecklich kontrolliert und steif und unueberzeugend, wobei sie verzweifelt versucht, ihren deutschen Akzent zu verleugnen. Also wenn da jetzt ueberhaupt gesungen werden musste, und warum eigentlich kein deutsches Lied der Romantik, das haette ja nun wirklich gepasst wie die Faust aufs Auge, aber wenn nun schon dieses Lied gesungen werden musste, dann haette ich das mit einem dicken fetten deutschen Akzent und voellig selbstvergessen wie unter der Dusche singen lassen, nicht so aushilfsbarsaengerinnenmaessig.
Uh. Ich moechte einmal wieder irgendwo hingehen und etwas anderes spenden als Mitleidsapplaus. Und das dumme Lied hatte ich natuerlich tagelang als Ohrwurm.

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Koennte ich natuerlich auch selber tun, aber gerade eben habe ich diesen irrsinnigen Armkrampf...

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