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Darf ich vorstellen: Lose Kordel - Internet, Internet - lose Kordel. Lose Kordel ist weit abgeschlagen das interessanteste Objekt in unserer Wohnung, keins der Kinder, die ich hier huete, hat es je versaeumt, ihr konzentrierte Aufmerksamkeit in Form von Ziehen und Twisten zu widmen, sobald sie in Kordelnaehe drifteten. (Tatsaechlich ist das Bild schon etwas aelter, und der Kordelbesatz an diesem Moebelstueck mittlerweile stark ausgeduennt. Lose Kordel existiert noch immer, die gleiche, aber nicht dieselbe - panta rei!)

Das ist ja auch das speziell verrueckte, wie bei dem ganzen Gerede darueber wie schon Kleinkinderhueteeinrichtungen Bildungsstaetten sein muessten, alle willentlich ignorieren, was fuer eine unglaubliche Renitenz Kleinkinder an den Tag legen gegenueber den Bildungserlebnissen, die man fuer sie intendiert. Sie haben einen ganz erstaunlichen sechsten Sinn, der sie auch noch die bestgetarnteste Bildungsabsicht wittern laesst. Ueber dieses Organ muesste man promovieren!

Die ersten Opfer sind die klassischen Spielsachen, denen jedes Kleinkind mit voelliger Indifferenz gegenuebersteht: Oh, diese Lego Primo-Steine erwarten von uns, dass wir sie stapeln - lasst uns den Eimer auskippen, ein wenig mit den Fuessen zwischen den Steinen herumschlurren und dann fortgehen. (Lego Primo ist das Paradebeispiel fuer den vollstaendigen Bankrott von Babyspielzeug - soo froehliche Primaerfarben, soo runde Ecken, soo schmunzelnde Gesichter, soo einfache Reize, soo leicht zu handhaben, und doch habe ich noch nie ein Kind gesehen, das sich in irgendeiner Weise dafuer interessiert haette.) Diese Scheiben erwarten, von uns auf diese Stange gespiesst zu werden? Wir werden den Teufel tun! Stattdessen werden wir sie ergreifen, ueberall verstreuen und wiederum fortgehen. Dieses Bilderbuch moechte von uns mit Interesse betrachtet werden? Wir werden es herumschleifen, ihm den Ruecken brechen und es dann fortwerfen. Und diese Motorikschleife, die von uns erwartet, dass wir interessante Erfahrungen ueber potentielle und kinetische Energie mit ihr machen und unsere kleinen Fingerchen beim Auf- und Abschieben von Holzperlen in feinmotorischen Faehigkeiten trainieren, dieser Motorikschleife bringen wir eine so profunde Abneigung entgegen, dass wir sie nicht nur vollstaendig ignorieren, sondern ihr nach Kraeften aus dem Weg gehen. Der Tag, an dem wir einmal versehentlich an sie gestossen sind, ist fuer uns ein Trauertag. (Die Motorikschleife. Gott. Welcher Erwachsene hat nicht, als die zuerst auftauchten, begeistert frohlockt, dies sei wahrlich das Zeitalter des Kindes? )

Kleinkinder vermoegen die Erwartungen, mit den ihnen ihr Spielzeug gegenuebertritt zu erspueren, auch wenn sie sonst nur mit Muehe geradeaussehen koennen, und solche Erwartungen veraergern sie. Es ist mystisch und unglaublich!

Aus einer solchen Beobachtung ruehrt das mittlerweile verselbstaendigte Urteil, die Kiste, in der ein neues Spielzeug eingepackt gewesen sei, sei, hach, schmunzel, oft so viel interessanter als das Spielzeug selbst. Nur, seit Erwachsene mit der Erwartung, Kisten muessten sie amuesieren, an Kinder herantreten, stimmt auch das nicht mehr. Neulich hatte ich, denn ich bin eine ruehrige und um Bildungserlebnisse bemuehte Person, einen ganzen Haufen Kisten der verschiedensten Groessen bei uns aufgestellt, von klitzekleinen bis zu einer gigantischen langen Kiste, in der 10 Kleinkinder nur wenig gebueckt nebeneinander stehen konnten, und die Kinder haben stoerrisch fuer eine ganze Woche geradezu einen Bogen um diese Installation gemacht. Immerhin haben Karla und Meta an den Nachmittagen mit der riesigen Kiste Gefaengnis gespielt, so dass die Liebesmueh nicht ganz und gar verloren war, aber trotzdem, mein Gott.
Sobald man aus einer Beobachtung (Kinder interessieren sich fuer Kisten, fuer Wasser, sie wuehlen gern in Verpackungschips, sie tun gern kleine Gegenstaende in Dosen rein, sie interessieren sich fuer Glaeser mit Schraubdeckel) ein Angebot macht und so versucht, dem Desinteresse an klassischen Spielsachen Rechnung zu tragen (Hier habt ihr eine grosse Wanne voll Wasser und verschiedene Gefaesse zum Schoepfen / hier ist ein Sack Verpackungschips / hier sind verschiedene interessante Dosen und kleine Gegenstaende / da gebe ich euch ein Sortiment verschieden grosser Schraubdeckelglaeser) toetet das den Reiz auch dieser Beschaeftigungen im Handumdrehen.

Nach dem ihnen also durch Erwartungsvergiftung auch noch die Moeglichkeit genommen ist, sich mit allem nichtspielzeugartigem, aus dem man ein Angebot fabrizieren kann, zu befassen, sind sie darauf reduziert, sich ausschliesslich fuer Dinge zu interessieren, die so nondeskript und zufaellig sind, dass es praktisch barbarisch anmutet: lose Kordel, ein abstruses anatomisch halbwegs korrektes Wasserspritzer-Herz, das als Gimmick in einer Cornflakespackung drin war, ausgekauter Kaugummi auf der Strasse (ich werde mal eine Wanne mit ausgekautem Kaugummi fuellen, um diesem Interesse den Garaus zu machen), Tore und Maschendrahtzaeune, an denen man ruetteln kann, die Kappen von Filzstiften abziehen, Blaetter vom Affenbrotbaum pfluecken und zerquetschen, die halbverwesten Schilfmatten, mit denen junge Parkbaeume umwickelt sind, sehr kleine Kieskoerner (geh mit ihnen in den Garten Eden, sie werden auf den Parkwegen niederhocken und sich den sehr kleinen Kieskoernern widmen).

Sage ich jetzt mal so polemisch. Knoepfe sind natuerlich die Ausnahme. Ich druecke jetzt hier und dann geht das Licht an? Can do, can do a thousand times!

Am besten geht es Kleinkindern nach meiner Ueberzeugung, wenn man keinerlei Bildungserlebnisse fuer sie ersinnt.

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