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Neulich bei meiner Ausbildung wurde das bekannte Bild gezeigt, auf dem man eine feine Dame oder eine alte Hexenoma erkennen kann, je nachdem, wie man gestimmt ist. Unsere Dozentin hat das zum Anlass genommen, unter allgemeiner Zustimmung zu erklaeren, wie die Realitaet eine subjektive Wahrnehmung sei, also nicht etwa unsere Wahrnehmung von der Realitaet subjektiv, sondern definitiv andersrum. Zum Beispiel die Gravitation. Ja freilich, meinte eine, wenn man subjektiv der Ueberzeugung sei, es gaebe Geister, Erdmaennlein und hoehere Praesenzen, dann gaebe es die dann auch. Ja, oder, meinte die andere, wenn zwei durch den Wald gingen und der eine meinte, einen Stock liegen zu sehen, aber der andere eine Schlange, dann sei eben fuer den einen ein Stock und fuer den anderen eine Schlange da.
Dieser kuriose, sich sogar der allergeradlinigsten Verifikationsmoeglichkeit verweigernde postmoderne Starrsinn wurde aber umgehend eingetuetet, als im Anschluss eine DVD mit einem Vortrag des deutschen Psychiaters Manfred Spitzer angeschaut wurde. Dieser Manfred Spitzer hat sich auf das Racket geworfen, Kindergaertnerinnen und anderen solchen Personen die neuesten Erkenntnisse der Hirnforschung und ihre Anwendung auf das Lernen im Kleinkindalter nahezubringen. Immer kriegt man Eintrittskarten fuer seine Vortraege angedient und alle tauschen sich darueber aus, wo im Internet man seine DVDs fuer 15 bzw. 7 Oere bestellen kann. ( Hier koennen Sie ihn uebrigens kostenlos anhoeren.) Wie Manfred Spitzer weiss, haben Maenner ja 4 Millionen Neuronen mehr als Frauen (empoerte Buhrufe), aber, haha, die Frauen nutzen ihre dafuer effizienter (erleichtertes, geschmeicheltes Kichern, tausend lustige Scherze darueber in der Folgezeit). Auch hat die Hirnforschung gezeigt, dass es im Gehirn solche Dinger gibt, die heissen Synapsen, und die sind fuer die Datenuebertragung verantwortlich. Und fuer das Lernen. Wenn diese Synapsen nun beansprucht werden, indem Informationen dort hindurchgeleitet werden, dann wachsen sie. Aber nur, wenn die Informationen wiederholt dort durchgeleitet werden. Hier haben wir einen kleinen schattigen Klecks, das ist eine Synapse. Und hier nebenan ist ein viel groesserer, ausladender schattiger Klecks, das ist eine viel beanspruchte Synapse. Und so funktioniert also Lernen. Und daraus leitet sich fuer uns als Kindergaertnerinnen und andere solche Personen ab, dass wir den Synapsen der Kinder Input geben muessen, und dass wir ihnen den wiederholt geben muessen. Damit die Synapsen wachsen. Alle sind hoch zufrieden ob dieser wissenschaftlichen Erklaerung. Eben hat man sich noch geweigert, die objektive Realitaet der Gravitationskraft anzuerkennen, nun haben ein Alphamaennchen und zwei zusammenhanglose Bilder schattiger Kleckse alle komplett zu Apologeten der modernen Neurobiologie gemacht. Schattige Kleckse und die Aussicht auf ihre Vergroesserung! Das finde ich traurig, dass niemand etwas dabei findet, durch etwas so Belangloses fuer seine kinderbildnerische Taetigkeit hochgestimmt zu werden. Als kultartige, sinnlose Veranstaltung qualifiziert sich die ganze Sache aber dadurch, dass allen hier ein Wohlgefuehl durch das Einrennen vollkommen offener Tueren vermittelt wird. Ich meine, mein Gott, die Idee, dass man mit Kindern redet und ihnen allerhand zeigt und in die Hand gibt, die ist ja nicht erst durch die Hirnforschung moeglich geworden.
Uebrigens meint Manfred Spitzer auch, dass man Kindern kein Fernsehen zeigen soll, auch irgendwie wegen der Hirnforschung. Weil das keine ganzheitiche Erfahrung ist, so dass sich das Gehirn dann nur kuemmerlich entwickelt. Ich meine auch, dass sie kein Fernsehen sehen sollen, ausser manchmal im Urlaub, aber weil Fernsehen teuflisch und vom Uebel ist. Dafuer brauche ich keine verdammte Hirnforschung.

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