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Das kompetente Kind
Ich habe das Buch 'Das kompetente Kind' von Jesper Juul gelesen, dem neuen Paedagogikpapst, zu dessen Vortraegen Tagesmuetter und Eltern stroemen, wenn sie gerade nicht bei Manfred Spitzer sitzen. Ich muss sagen, in letzter Zeit hoere ich fast lieber davon, wie man den Aetherleib pflegen muss, als diese Bankangestelltensprache, aber naja.
Es handelt davon, dass man ueber Kinder nicht paedagogisch denken soll. Man soll keine paedagogisch wertvollen Situationen fuer sie inszenieren, sich nicht an selbstauferlegte Erziehungsmethoden halten, man darf ihnen keine Grenzen setzen in dem Sinne, dass man denkt: Dieses Kind braucht Grenzen, die werde ich mal setzen (sondern die Grenzen sollen sich aus dem ergeben, was man selbst zu erleiden gewillt oder nicht gewillt ist, also persoenliche Grenzen sein). Also kurzum, man soll ueber Kinder nicht bevormundend denken in dem Sinne, dass es ihnen an dieser oder jener Tugend noch fehle, man soll nicht von einer Position der Macht aus ueber sie denken, sondern von einer gleichwuerdigen Position aus wie ueber liebe Gaeste oder gute Freunde, von denen man sich letztendlich ja auch nicht alles bieten lasse, an denen man aber auch nicht herumerzoege. Kinder seien naemlich kompetent, am sozialen Zusammenleben interessiert und dazu faehig, in dem Sinne, dass sie etwas taeten, was er als kooperieren bezeichnet. Damit ist abwechselnd gemeint: sich verhalten, wie wir es unbewusst von ihnen erwarten (also etwa ins Wasser stuerzen, wenn man sie ununterbrochen mit 'Pass auf, dass du nicht reinfaellst!'-Schreien verfolgt), sich verhalten, wie wir es einfach so von ihnen erwarten (also etwa auch nach Erleiden seelenzerquetschender Erziehungsmassnahmen heiter und vergnuegt wirken) oder aber sich auf verschiedene Weisen verhalten, die uns allen wertvolle, mehr oder minder verschluesselte Hinweise auf ihre und unsere seelischen Schwierigkeiten geben (also alles, was bizarr oder unerfreulich ist).
Also ein Kind, das etwa pausenlos nach Suesswaren und allen moeglichen anderen Augenblickslaunen quengelt und greint und seinen Eltern das Leben zur Hoelle macht, opfert seine Integritaet, der vielleicht mit einem trockenen Brotkanten oder gar keinem Essen und stattdessen einer schoenen Runde stillem Staunen ueber die Wunder der Welt besser gedient waere, im Interesse des Zusammenlebens mit seinen Eltern, denen es signalisieren muss, dass in ihrer Beziehung zu ihm, zueinander, irgendwie, in irgendeiner Weise etwas im Argen ist.
Ich verstehe schon, dass Jesper Juul die Beziehung zum Kind damit aus der Verdinglichung herausfuehren will und zu etwas Lebendigem machen, das ist auch nett und loeblich. Aber ich denke, dass man generell die wenigsten Dinge vor der Verdinglichung bewahren kann, da rutscht einfach alles frueher oder spaeter hinein, und vielleicht verhindert diese Erstarrung dann ja irgendein noch groesseres Uebel. Er meint es glaube ich garnicht so, aber letztendlich bringt er die Leute zum nutzlosen Hinterhergruebeln und erzeugt Verunsicherung, wo er allseitiger segensvoller Kompetenz das Wort redet. Und wieso soll es eigentlich so sein, dass einem das Kind scheinbar pausenlos irgendetwas Kompetentes signalisieren darf, womit man sich dann befassen muss, aber niemals umgekehrt? Die eine Tagesmutter, die seinen Vortrag besucht hatte, meinte, sie haette ihn so verstanden, dass, wenn man den Kindern Erwachsene vorspielte, sie einem im Gegenzug Kinder vorspielten, und ich kann nur raten, was sie und die anderen kopfwiegenden Damen fuer sich aus dieser Zenweisheit herauszogen. Auch wenn ich schon glaube, dass das von ihm vorgeschlagene Tun, wenn ideal betrieben, wahrscheinlich allen Beteiligten einen erfreulichen Alltag mit willigem Muelleimerruntertragen und gegenseitigem Respekt bescheren kann. Wenn das alles ist, was man moechte, ist man mit Jesper Juul gut bedient. Dann koennen alle am Ende zusammen Sex and the City kucken und sich gleichberechtigt darueber beoelen.
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