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Das kompetente Kind
2008-06-24 @ 1:15 a.m.

Ich habe das Buch 'Das kompetente Kind' von Jesper Juul gelesen, dem neuen Paedagogikpapst, zu dessen Vortraegen Tagesmuetter und Eltern stroemen, wenn sie gerade nicht bei Manfred Spitzer sitzen. Ich muss sagen, in letzter Zeit hoere ich fast lieber davon, wie man den Aetherleib pflegen muss, als diese Bankangestelltensprache, aber naja.

Es handelt davon, dass man ueber Kinder nicht paedagogisch denken soll. Man soll keine paedagogisch wertvollen Situationen fuer sie inszenieren, sich nicht an selbstauferlegte Erziehungsmethoden halten, man darf ihnen keine Grenzen setzen in dem Sinne, dass man denkt: Dieses Kind braucht Grenzen, die werde ich mal setzen (sondern die Grenzen sollen sich aus dem ergeben, was man selbst zu erleiden gewillt oder nicht gewillt ist, also persoenliche Grenzen sein). Also kurzum, man soll ueber Kinder nicht bevormundend denken in dem Sinne, dass es ihnen an dieser oder jener Tugend noch fehle, man soll nicht von einer Position der Macht aus ueber sie denken, sondern von einer gleichwuerdigen Position aus wie ueber liebe Gaeste oder gute Freunde, von denen man sich letztendlich ja auch nicht alles bieten lasse, an denen man aber auch nicht herumerzoege. Kinder seien naemlich kompetent, am sozialen Zusammenleben interessiert und dazu faehig, in dem Sinne, dass sie etwas taeten, was er als kooperieren bezeichnet. Damit ist abwechselnd gemeint: sich verhalten, wie wir es unbewusst von ihnen erwarten (also etwa ins Wasser stuerzen, wenn man sie ununterbrochen mit 'Pass auf, dass du nicht reinfaellst!'-Schreien verfolgt), sich verhalten, wie wir es einfach so von ihnen erwarten (also etwa auch nach Erleiden seelenzerquetschender Erziehungsmassnahmen heiter und vergnuegt wirken) oder aber sich auf verschiedene Weisen verhalten, die uns allen wertvolle, mehr oder minder verschluesselte Hinweise auf ihre und unsere seelischen Schwierigkeiten geben (also alles, was bizarr oder unerfreulich ist).
Ich will nicht gerade sagen, dieses Kooperieren koennte alles und garnichts sein, aber es ist auf jeden Fall eine recht breitgefaecherte Taetigkeit. Allgemein ist damit gemeint, dass das Kind im Interesse des Zusammenlebens mit den Eltern seine Integritaet teilweise zu opfern gewillt ist, selbst wenn es sich dadurch geradezu schadet.

Also ein Kind, das etwa pausenlos nach Suesswaren und allen moeglichen anderen Augenblickslaunen quengelt und greint und seinen Eltern das Leben zur Hoelle macht, opfert seine Integritaet, der vielleicht mit einem trockenen Brotkanten oder gar keinem Essen und stattdessen einer schoenen Runde stillem Staunen ueber die Wunder der Welt besser gedient waere, im Interesse des Zusammenlebens mit seinen Eltern, denen es signalisieren muss, dass in ihrer Beziehung zu ihm, zueinander, irgendwie, in irgendeiner Weise etwas im Argen ist.
Natuerlich koennte man auch einfach sagen 'Das Goer braucht dringend Grenzen,' und ich sehe nicht recht, worin der Harm dieser schlichten Aussage bestuende, aber bei Jesper Juul darf man das nicht machen, weil es aus einer Position der Macht heraus geschieht, sondern man muss ueberlegen, was uns das Kind mit seinem Kooperieren Wertvolles sagen will, und in der Antwort darf das Wort 'Grenzen' in Bezug auf das Kind keinesfalls vorkommen. Auch wenn das Ergebnis letztendlich gleichwertig sein mag. Obwohl ich auch Eltern kenne, bei denen solche Ueberlegungen eher hinauslaufen auf: Es ist fuer Goldpeter emotional verheerend, sich mit Herannahen seines dritten Geburtstages langsam mit dem Gedanken daran, einmal ein Pipitoepfchen aufzusuchen, vertraut zu machen, wir muessen ihn daher besonders schonend behandeln und ihm alles geben, wonach er verlangt, damit er nicht denkt, wir liebten ihn nicht mehr.

Ich verstehe schon, dass Jesper Juul die Beziehung zum Kind damit aus der Verdinglichung herausfuehren will und zu etwas Lebendigem machen, das ist auch nett und loeblich. Aber ich denke, dass man generell die wenigsten Dinge vor der Verdinglichung bewahren kann, da rutscht einfach alles frueher oder spaeter hinein, und vielleicht verhindert diese Erstarrung dann ja irgendein noch groesseres Uebel.
Ich muss sagen, dass ich nicht sehen kann, wie es auf der Welt zu Glueck und Frommen fuehren soll, wenn Leute, die ja nicht unbedingt nicht komplett delusionaer sind, immerzu darueber nachdenken, was ihr Kind jetzt mit seinem Kooperieren meinen koennte, welchem psychischen Problem, welcher Beziehungsverunsicherung bei welchem der Beteiligten es gerade Ausdruck verleiht, anstelle von einfach ein paar einfache und erprobte Holzhammerregeln anwenden.
Was davon jetzt mehr vom Uebel ist, das halte ich fuer komplett dahingestellt.

Er meint es glaube ich garnicht so, aber letztendlich bringt er die Leute zum nutzlosen Hinterhergruebeln und erzeugt Verunsicherung, wo er allseitiger segensvoller Kompetenz das Wort redet. Und wieso soll es eigentlich so sein, dass einem das Kind scheinbar pausenlos irgendetwas Kompetentes signalisieren darf, womit man sich dann befassen muss, aber niemals umgekehrt?

Die eine Tagesmutter, die seinen Vortrag besucht hatte, meinte, sie haette ihn so verstanden, dass, wenn man den Kindern Erwachsene vorspielte, sie einem im Gegenzug Kinder vorspielten, und ich kann nur raten, was sie und die anderen kopfwiegenden Damen fuer sich aus dieser Zenweisheit herauszogen.

Auch wenn ich schon glaube, dass das von ihm vorgeschlagene Tun, wenn ideal betrieben, wahrscheinlich allen Beteiligten einen erfreulichen Alltag mit willigem Muelleimerruntertragen und gegenseitigem Respekt bescheren kann. Wenn das alles ist, was man moechte, ist man mit Jesper Juul gut bedient. Dann koennen alle am Ende zusammen Sex and the City kucken und sich gleichberechtigt darueber beoelen.

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Koennte ich natuerlich auch selber tun, aber gerade eben habe ich diesen irrsinnigen Armkrampf...

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