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Leserrezensenten empfehlen: Das Baerenhaus
2008-08-28 @ 1:41 p.m.

Elizabeth Shaw, eine in der DDR lebende Kinderbuchautorin und Illustratorin irischer Herkunft, hat den DDR-Kindern verschiedene charakteristisch schlichte (auf gute Art) und weitverbreitete Kinderbuecher gebracht. (Die Schildkroete hat Geburtstag ist hands down das beste davon.) Unter anderem auch Adaptationen von Klassikern aus dem englischsprachigen Kulturraum: Das Baerenhaus (Goldilocks and the three bears) und Zilli Billi und Willi (The three little pigs).
Die habe ich natuerlich jetzt nicht wirklich bei Amazon gefunden - obwohl sie in huebschen Ausgaben immer noch zu haben sind -, weil ich sie ja schon kannte, aber jedenfalls ist Das Baerenhaus bei den knapp Dreijaehrigen, die hier jeden Tag antanzen, recht beliebt. Aus welchen mysterioesen Gruenden knapp Dreijaehrige sich fuer Dinge interessieren, ist natuerlich eine Art Weltraetsel, aber mir kommt es jedenfalls auch vor wie ein vernueftiges, sehr gut gemachtes Buch fuer Kleinkinder.

Bettelheim hat ja an Goldilocks and the three bears kritisiert, dass der darin aufgeworfene Konflikt (eine Eifersuchtsgeschichte, wenn man so will, ein Kind fuehlt sich durch ein juengeres Geschwisterkind oder aehnliches aus dem Familienverein ausgebootet) nicht geloest, sondern vermieden wird. So dass Kinder also Goldilocks and the three bears nicht braeuchten in der Weise, wie sie Maerchen braeuchten, weil es ihrem kontemplierenden Sinn zwar eine Projektionsflaeche fuer ihre eigenen Sorgen, aber keine ermutigende Perspektive boete.

Ich finde das Argument ganz sinnvoll. Obwohl ich andererseits noch nie ein Kind einschliesslich meiner selbst getroffen habe, dem irgendein Maerchen erkennbar einen derartigen Dienst leistete. Das muss man, bei aller leidenschaftlichen Liebe fuer die psychologisierende Lesart, auch einfach mal so platt sagen. Da ist wahrscheinlich die moderne Lebensweise gruendlich davor, die nicht mehr nennenswert viel stundenlanges unzerstreut wartendes Nachsinnen an Feldrainen oder in kargen Stuben zu bieten hat. Benjamin zum Beispiel meinte zu seiner Zeit lediglich, Das Baerenhaus sei ein Vehikel, um Kindern die Begriffe gross, mittel und klein nahezubringen, und hat sich angeoedet davon abgewandt.

Aber auch wenn hier der Konflikt nicht geloest wird, indem Goldilocks etwa den kleinen Baeren enthauptet, oder ihn im Gegenteil vor dem boesen, hammerhackenden Hosenhirsch rettet und am Ende alle zusammen mit den dankbaren Baereneltern ein froehliches Gartenfest feiern, finde ich es im Grunde genommen auch vollkommen legitim, vor einem Konflikt in den Wald davonzueilen, und ich salutiere der literarischen Verewigung dieser verbreiteten und vollwertigen Strategie von ganzem Herzen.

Sehr cool finde ich auch, mit welcher Sturheit der grosse und der mittlere Baer immer zunaechst ihre belanglosen Klagen ueber verkostete Suppen, zerknautschte Stuhlkissen und Bettdecken vorbringen muessen, obwohl der kleine Baer angesichts zerbrochener Stuehle, leergeloeffelter Schuesseln und besetzter Betten in jedem Fall offenkundig die much more pressing concerns hat. Das ist die psychologische Realitaet des klassisch aufwachsenden Kindes - natuerlich nicht die der modernen Nervensaegen, die sich im Zentrum der Aufmerksamkeit ihrer Eltern breitmachen - und es ist super, dass die sich hier so einpraegsam widergespiegelt findet. Am Ende ist er ja dann auch immer an der Reihe, der kleine Baer, und kann seine Beschwerden loswerden.

Meine knapp Dreijaehrigen verdaechtige ich ja, dass sie mit psychologischen Bewaeltigungshilfen, Analogien und Metaphern selbst dann schlankweg ueberhaupt nichts anfangen koennten, wenn man sie 36 Stunden lang an einem Feldrain festzurrte. Wahrzunehmen, wie es sich hier um eine zusammenhaengende Geschichte handelt, ist glaube ich alles, was man von denen realistischerweise erwarten kann. Die Erzaehlweise, mit der ritualisierten Wiederkehr von gross, mittel und klein und die lobenswert unpraetentioesen, ablenkungsfreien Zeichnungen koennen dazu einiges beitragen. Gut finde ich zum Beispiel, wie Goldilocks durch den Wald kommt und dort steht das Haeuschen mit seiner offenen Tuer, und auf der naechsten Seite befindet sie sich dann im Haeuschen drin, waehrend man durch die immer noch offenstehende Tuer ein Stueckchen Wald sehen kann. Das nenne ich mitdenkende Einfuehlung in die Kapazitaeten von literaturunerfahrenen Kleinkindern.
Wenn allerdings Leander, der schon ungefaehr zwanzig Mal die Geschichte gehoert und die Bilder studiert hat, bei Betrachtung einer Doppelseite mit drei Vignetten von Goldilocks, wie sie jeweils eins der drei Betten ausprobiert, das zu harte grosse, das zu weiche mittlere, und schliesslich sieht man sie dann schlafend in dem gerade richtigen kleinen, den Anblick von Goldilocks, unzufrieden in dem zu harten Bett, mit der Frage 'Und wo kann das andere Maedchen schlafen?' kommentiert, bin ich doch wieder mit der nagenden Ungewissheit konfrontiert, ob so kleine Kinder eigentlich ueberhaupt irgend etwas mitkriegen.

Aber es gibt in diesem Buch nichts, was mich stoert, und die Kinder wollen es immer wieder vorgelesen kriegen, also fuenf Sterne fuer Das Baerenhaus.

Ausserdem moechte ich noch anmerken, dass diese Stokke-Kinderwagen, die wie fahrende Buerostuehle aussehen, das Schlimmste und Groteskeste sind, was ich jemals gesehen habe.

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Koennte ich natuerlich auch selber tun, aber gerade eben habe ich diesen irrsinnigen Armkrampf...

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