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Der kleine, erwartungsvolle Kinderverabscheuer
2008-07-26 @ 12:27 a.m.

Zum Beispiel wenn so ein Baby sich aeussert: mimimimi, mamamama, dann ist es wahrscheinlich agitiert worden durch einen Lichtfleck auf der Tapete oder einen Kratzer im Parkett, wir nehmen aber an, und spiegeln ihm diese Annahme zurueck, dass sein Interesse dem Plueschhasen oder irgendeinem anderen von uns als lohnend empfundenen Objekt gilt. In einer Weise ist es natuerlich voellig unmoeglich, ein Kind zu bewegen, sich fuer etwas zu interessieren, was ihm egal ist, doch wird man trotzdem immer wieder und letztendlich nicht ganz erfolglos versuchen, seine Aufmerksamkeit auf als interessewuerdig angenommene Dinge hinzulenken, fort von den Kratzern und Staubflusen. Ich frage mich, ob die als idealtypisch angenommene Kindlichkeit wirklich total ein Produkt dieses Wechselspiels von Missverstehen und Koerzion ist, und was fuer Taxonomien ausgespuckter Kaugummis und rissiger Wandanstriche wohl ein Kind entwickeln wuerde, das man solchem Tun und den ewigen vermaledeiten und viel zu fruehen Zoobesuchen nicht aussetzte. Na, vermutlich ueberhaupt keine. Kinder leben ja andererseits von den, wie auch immer total arbitraeren, Erwartungen, mit denen man an sie herantritt.

Auf einer verwandten Note sind meine Empfindungen Kindern gegenueber wirklich immer weniger sentimental. Kinder scheinen mir ungefaehr so wie Leute zu sein. Dieser ganze schwaermerische Bullshit darueber, wie sie angeblich immerfort staunen wuerden und jeder Tag ein neues Abenteuer aufregenden Lernens waere - wenn darunter das Aufheben und Praesentieren jeden ausgekauten Kaugummis und das fortwaehrende geistlose Ruetteln und Bummen an unvollstaendig arretierten Haustueren, Briefkastenklappen und Maschendrahtzaeunen verstanden wird, also das dann ja. Ansonsten weiss ich nicht. Ich sehe eher, dass diese romantische Wahrnehmung perpetuiert wird dadurch, dass man Kinder portraetiert in einem eine Zehntelsekunde waehrenden Anflug eines Ausdrucks, der nach Staunen oder geistiger Versenkung aussieht (ich habe selber tausende von Photos dieser Art gemacht), waehrend man den chaotischen, fahrigen Rest von 23.5 Stunden ignoriert. Man koennte sie mit gleich guter Evidenzlage auch als vom Teufel besessen charakterisieren. Ich sehe eher eine allgemein menschentypische Abneigung gegen geistige Anstrengung und allgemeiner eine ebenfalls allgemein menschentypische starke Neigung, sich bei jeder Gelegenheit in ungesunde psychische Sackgassen (sloth, gluttony ....) zu begeben, wenn man als Erwachsener nicht immerfort mit seinen heiter-gnadenlosen Erwartungen angemessenen Verhaltens praesent ist.

Das hoert sich kontrollwuetig an, aber einfaches Beispiel: Alle meine Kleinkinder koennen seit langer Zeit wunderbar allein die Treppen rauf und runter gehen. Ich gebe ihnen mal eine Hand, wenn sie ermattet sind oder es gern wollen, aber ich ermutige sie auch, einander eher gegenseitig auszuhelfen, und getragen werden nur Verwundete. Wir leben damit gluecklich und froh und alle sind angemessen zufrieden mit ihrer Leistung. Sobald sie aber mit ihren Eltern zusammen sind und meine heitere, erwartungsvolle Praesenz in den Hintergrund tritt, geben die meisten dieses Verhalten sofort auf und bringen ihre Eltern durch entnervendes Weinen und Peinen dazu, sie auf- und abzuschleppen. Das ist also bei den meisten kein positives Abschieds- oder Begruessungsritual, sondern ein den Eltern gegen ihren Willen abgezwungenes Zugestaendnis. Durch das niemand gluecklich gemacht wird. Trotzdem scheint aber die psychische Oekonomie der Kinder so zu sein, dass die Dinge in dieser Art von Minimum zur Ruhe kommen, wenn man nicht pausenlos dagegenarbeitet. Fast jedes Detail des taeglichen Lebens (Laufen, Essen, Anziehen, Aufraeumen, Schlafen, sogar Spielen - auch dort kann man durch die Erwartung, das Kind wuerde sich konzentriert mit einer Sache beschaeftigen und die Weigerung, jedem seiner fluechtigen Impulse nachzugeben, einiges erreichen) kann dafuer als Beispiel dienen. Dieses Dagegenarbeiten kann einem natuerlich so in Fleisch und Blut uebergehen, dass es nicht mehr ganz die Anstrengung bedeutet, die es zunaechst zu implizieren scheint, aber es ist trotzdem eine pausenlose Exertion gegen den Selbstlauf. Ja, und warum ist das so? Warum ist der Mensch so bloedsinnig eingerichtet? Welcher evolutionaere Vorteil, um mit den evolutionaeren Vorteilsmenschen zu sprechen, liegt darin?

Und dann koennte man natuerlich sagen, Kinder wuerden nicht nur Treppensteigen, ihr Obst aufessen und ihre Schuhe wegstellen, sondern sogar auch staunen, wenn man diese Erwartung nur konsequent genug an sie herantruege.
Und dass sie heute nicht mehr staunen laege - unter anderem - daran, dass man sich in uebersteigerter romantischer Bewunderung ihres Kinderwesens, das in Wahrheit selbst ein Produkt von Erwartungen war, letztendlich total ihrer Fuehrung unterworfen hat, mit dem Resultat eines weitgehend eigenschaftslosen Vakuums?

Gott, ich wuerde schon sagen, dass ich mittlerweile ein tieferes Verstaendnis fuer Kinderfragen habe, als ich mit 26 besass, und ein um einiges tieferes Verstaendnis als die Eltern, die mit ihren Kleinkindern bei mir anklopfen, aber trotzdem bin ich im Grunde komplett verwirrt ueber die ganze Sache.

Ausserdem wuenschte ich doch wieder, ich koennte mehr schwaermerische Empfindungen gegenueber Kindern hegen. Ich wuenschte, ich koennte empfinden, dass sie rein und unschuldig sind und dass sich in ihrem seelenvollen Tun und Wesen das Paradies offenbart oder irgend so einen Lewis-Caroll-maessigen Mist. Aber es ist mir nicht gegeben.

Als eine Art Angebot zum Zeichen meines Guten Willens ist hier immerhin eine Begebenheit mit Meta und ihrer Freundin, die relativ niedlich ist.

Die Bunte Republik ist zum Geldverdienen da, sagt Meta, und Recht hat sie. Sie hat mit ihrem kleinen Kinderflohmarktstand 40 Euro eingenommen. Mit von ihr in stundenlanger Arbeit aufopferungsvoll gebastelten Gluehbirnenpinguinen. Nein Quatsch, natuerlich mit ihrem von uns im Schweisse unseres Angesichts erarbeiteten hochwertigen Besitz. Dann jedoch hat sie das ganze Geld mit Marlen, die 3,70 an ihren Krims verdient hatte, schwesterlich geteilt. Ich glaube nicht, dass ich diese selbstverstaendliche Groesse aufgebracht haette. Nicht ohne heimlich herumzubittern. Marlen wiederum hat sich von dem ihr so zugekommenen Geld einen riesigen Aluminiumballon in Form einer Schneeeule gekauft.
Ausserdem muss man auch mal sehen, wie Marlen unverdrossen zwei Nachmittage mit Meta dort auf dem Gehweg herumgesessen hat, ohne die Hoffnung aufzugeben, vielleicht doch noch ihren singenden klingenden lila Plastikschminktisch zu verhoekern.
That's about as good as it gets today.

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Ruhmsuechtig!
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Koennte ich natuerlich auch selber tun, aber gerade eben habe ich diesen irrsinnigen Armkrampf...

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