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Genie (ghost from a bottle)
2003-08-03 @ 10:24 p.m.

Die uns besuchende Dame hatte uebrigens, schnueffel schnueffel, kram kram, wolln mal sehen, aha, was haben wir denn hier: ein Buch dabei (nein, also es lag wirklich nur so rum) namens 'A child called It � a boy�s will to survive' oder irgendwie so, in das ich kurz reingelesen habe, worauf mir ein Stein vom Herzen gefallen ist: Mein Gott, ich bin doch tatsaechlich nicht der einzige mit einer morbiden Faszination fuer derartige Themen. Dagegen war ja mein Buch noch geradezu wissenschaftlich. �Genie, a scientific tragedy�. Dieses arme Maedchen, Genie ist ihr sinniges Pseudonym, war irgendwie von ihrem wahnsinnigen Vater an die zwoelf Jahre lang mit minimalem menschlichen Kontakt in einem kleinen Zimmer (in Kalifornien) gefangengehalten worden. Ihre Entdeckung 1970 war fuer die wilden Linguisten dieser Zeit eine unglaublich spannende Gelegenheit, die unglaublich spannende Frage zu studieren, ob sie denn mit dreizehn oder vierzehn Jahren noch sprechen lernen und sich Grammatik aneignen koenne.
Dabei geht es um die Kontroverse, ob man Sprechen und korrekte Grammatik einfach lernt, wie man Skatspielen lernt oder so, oder ob beide gewissermassen in unser Gehirn eingedrahtet sind und viel mehr mit unserer inneren Organisation zu tun haben als ... man denkt. Also zum Beispiel dass jeder ohne Nachzudenken weiss dass es RatteNfaenger, aber Vogel- anstelle von Voegelfaenger heisst (das englische Beispiel war rat eater und mice eater, falls das irgendwie tiefsinniger sein sollte ... zumindest sind das im Englischen keine Worte, die man als 'R. von Hameln' und 'Der V. bin ich ja' schon dreissigtausend mal gehoert hat, und darum geht es ja), das koennte demnach irgendeine ganz profunde Bedeutung haben, obwohl man es kaum glauben sollte. Naja. Und wenn diese Grammatik irgendwie durch Sprache, die man hoert, getriggert wird, dann waechst sie einfach, so wie getriggert durch irgendwelche Armhormone in einer bestimmten Phase der Embryonalentwicklung halt ein Arm waechst. Auch fuer Sprache und Grammatik gibt es dann moeglicherweise eine sensible Periode, und die Idee ist, dass diese sensible Periode mit der Pubertaet aufhoert, weil die Pubertaetshormone irgendwie das Gehirn stabilisieren und danach mit neuen Verbindungen und so nicht mehr viel drin ist. So wie einem spaeter auch kein Arm mehr wachsen kann.

Naja naja, also wenn man Meta zuhoert, die in ihrem (fuerchterlich radebrechenden, verflucht) Deutsch �warum hat er gestirbt?� sagt, hat man Schwierigkeiten sich vorzustellen, dass ihr Gehirn korrekte Grammatik selbst produziert. Was sie hier anscheinend macht, abgesehen von: ein herziger kleiner Schinken sein, ist Regeln verallgemeinern, die sie sich aus dem, was sie bisher weiss, rausdestilliert hat, also ganz klassisches Lernen. Aber egal, die Chomsky-Hypothese ist natuerlich trotzdem viel viel ssexier.

Und wenn diese Genie nun keine korrekte Grammatik mehr lernen wuerde, waere das ein Hinweis darauf, dass Grammatik nicht im klassischen Sinne erlernt wird, denn die Faehigkeit, irgendwas zu lernen, verabschiedet sich ja nicht direkt mit der Pubertaet. Sehr wahnsinnig ueberzeugend waere das natuerlich auch wieder nicht, denn a) koennte ja alles moegliche andere mit ihr kaputt sein, und b) koennte ja das Lernen von Sprache zwar anders als Skatlernen, aber trotzdem gewoehnliches Lernen sein, dass eben bloss vor der Pubertaet passieren muss, weil danach das Gehirn zu hart ist.
Schon ganz spannend, aber an irgendeinem Punkt erscheint dann die Kontroverse doch muede akademisch und es ist einem ziemlich wurst, wie es sich damit verhaelt. Jib ma Salzstangen rueba. Und vielleicht ist Skat ja auch in unsere Gehirne eingedrahtet, wer weiss. Aber den wilden Linguisten war es natuerlich nicht egal, denn es ist ja ihr Job und ihre Karriere, interessante Hypothesen aufzustellen, interessante Experimente zu machen, interessante wichtige Veroeffentlichungen zu schreiben und auf Konferenzen interessant und wichtig ueber alles zu schwadronieren.

Von diesem Interesse der Wissenschaft hat diese Genie auch relativ profitiert, immerhin hat ihr das ein paar schoene Jahre in einem grosszuegigen Professorenhaushalt mit Steinwayfluegel, Bibliothek, Garten und tonnenweise mehr oder weniger zartfuehlende Aufmerksamkeit eingebracht. Grammatik hat sie tatsaechlich keine gelernt, beziehungsweise sie ist einfach auf einem niedrigen Level stagniert. Nachdem die Dreiwortsaetze, Plural und Genitiv, die sie dann irgendwann konnte, schnell als Beweis abgefeiert worden waren, dass man waehrend der Pubertaet noch sprechen und Syntax lernen kann.
Sie konnte zum Beispiel keine Fragen stellen (Where is may I have a penny?).
Irgendwann gab es dann keine Forschungsmittel mehr, Beissereien unter den Menschen, die mit ihr befasst waren, ihre Mutter hat alle verklagt, die Linguisten selber haben behauptet, ihnen stuende noch Honorar fuer Therapien undsoweiter zu und haben im Gegenzug die Mutter verklagt, schliesslich hatten alle Kontaktsperre, Genie war in irgendeinem betreuten Wohnen und alles war so abscheulich und tragisch, wie es nur sein kann. Also, die eigentliche Geschichte war dann weniger die mit der Linguistik, sondern natuerlich Liebe und Schuld, Angst und Versagen und das ganze alte allgemeinmenschliche Herumgezottel. Das Buch von Russ Rymer ist sehr gut, wie ein zweihundert Seiten langer New Yorker Artikel.

Her innocent questing elicited extraordinary responses. A butcher at the Safeway saw how fascinated Genie was by the shrink-wrapped meat packages. He opened the service window and held out to her an unwrapped cut of steak, and she fondled, smelled and studied it. In like fashion, over the months, he offered for her inspection bones, chicken, fish and turkeys, all wordlessly, as though he and she shared a tacid understanding. Occasionally, when Curtiss (Susan Curtiss hat ueber Genie promoviert, war aber wohl auch eine Art Freundin fuer sie) reached the checkout counter the cashier would produce a toy or a trinket, with the explanation that "the man ahead of you sensed she wanted this and bought it for her." The gifts were chosen with such uncanny accuracy and were tendered in such silence that Curtiss became convinced that she was witnessing a preternatural communication � an explicit, unvoiced understanding � that her careful notebook analysis was unable to explain.
Irene's openness left me with a decision to make: Should I press her to let me meet Genie, to accompany them during one of those visits together? It was my old dream, encountered at last, and after some thought, I turned the possibility down.
I could not, after all, simply meet her as myself, as a friend; inevitably I would be an ambitious journalist, taking notes, alert for an answer. How could I not help but open another chapter in Genie's long history of exploitation? And what would I do with my answer, once I got it? There is an impatience in modern times, and especially in America, with the true stories of things: they are too ambiguous and untidy and inconclusive; they suggest more mysteries than they solve. We prefer to have an answer - a solution, thank you - no matter how implausibly simple. And so we like to see things directly, in the flesh, to gawk when we might listen.
Uebrigens, glaubt irgendjemand, dass ich vielleicht mal ein gottverdammtes Buch ueber Linguistik lesen wuerde. Nee, solange nicht noch ergreifend aussehende interessant misshandelte Kinder, Drogen, Satanismus oder Klatsch ueber die Royal Family vorkommen, kann mich das alles nicht kuemmern.

P.S. Urspruenglich kam die Sache mit den sogenannten wilden Kindern via Ronsens zu mir.

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Ruhmsuechtig!
Klickt dieses Banner und katapultiert mich an die Spitze dieser elitaeren Diary-Top-Ten!!
Koennte ich natuerlich auch selber tun, aber gerade eben habe ich diesen irrsinnigen Armkrampf...

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