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Touristen in ihren schnittigen Kisten
2005-06-15 @ 5:57 p.m.

Ein Touristenpaar schlurft bedrueckt am Elbufer entlang. Man merkt ihnen die Anstrengung des Ausblendens an. Autolaerm ausblenden, Neubauten ausblenden, ausblenden, dass ueberall Schnorrer und abscheuliche Statuenmenschen herumlungern, zehntausend andere Touristen ausblenden, ausblenden, dass alle zehn Minuten ein verdammter Ausflugsdampfer nach Pillnitz abfaehrt, Reisebusse ausblenden, die sich an jeder Ecke stapeln, ausblenden ausblenden ausblenden. Es ist hart, da in die rechte Barockstimmung zu geraten, selbst wenn sie im Zwinger noch so viele als Barockpersoenlichkeiten verkleidete Studenten herumlaufen lassen und man sich auf den Bruehlschen Terassen mit einer schoenen saechsischen Kartoffelsuppe abfertigen lassen kann.

Aber vielleicht verstehe ich nicht. Ich bin ja nun ein Atmosphaere-Reisender, was natuerlich heutzutage keine originelle Leistung ist, also ich bin strenggenommen ueberhaupt ein vollkommen unbrauchbarer Reisender. Vielleicht sind diese Menschen ja alle Kunst-und-Kultur-Reisende, die ganz ernsthaft dem Dumont Reisefuehrer in eine vollkommen godforsakene Gegend beim Hauptbahnhof folgen, um sich dort den zwischen Autos und Genossenschaftsaltneubaukarrees aufgestellten Maria-Gey-Heinze-Brunnen von Georg Wrba anzusehen. Die reisen vielleicht wirklich wegen irgendwelcher Bilder von Canaletto oder wegen des Fuerstenzugs aus echt Meissener Kacheln. Obwohl ich es mir nicht denken kann. Ich weiss eigentlich ueberhaupt nicht, was alle immerzu umtreibt.

Ich persoenlich meine, sie haetten nicht nur die Frauenkirche nicht wieder aufbauen duerfen, sondern strenggenommen ueberhaupt nichts von dem ganzen Kram. Sie haetten den da, wo es sich lohnte, hoechstens ganz notduerftig ausbessern und abstuetzen und dann dem weiteren Verfall preisgeben sollen, so dass man dort in der Abenddaemmerung durchgehen kann und sich freuen, wenn man mal eine angeschlagene Kachel oder ein Stueck Parkett sieht, dann kann man sich sagen, aha, Spuren der alten Pracht, und sich Baelle vorstellen und Gemaecher. Aber natuerlich, wenn einem ein Ziegel auf den Kopf faellt, was dann. Nee, natuerlich funktioniert das nicht, schon klar. Ist ja auch wertvolles zentral gelegenes Bauland und alles.
Allein, mir vorzustellen, was in einem Menschen vorgeht, der lieber auf einem von Kordeln begrenzten schmalen Pfad durch einen mit allen Schikanen rekonstruierten Spiegelsaal geht (ausser vielleicht wegen der tollen Ueberpantoffeln) als durch eine vom Zahn der Zeit angenagte Ruine, in die er durch ein Fenster oder irgendeine offene Luke hereingeklettert ist, und wo man hier und da einen Rest vom Deckengemaelde erspaehen kann, dafuer reicht meine Phantasie nicht aus.

Wobei natuerlich ultimativ alle Arten von Atmosphaere-Reisen, ob man nun gern durch Staetten des Verfalls schleicht oder durch treue Kopien frueherer Pracht, nicht so besonders verschieden sind und strenggenommen samt und sonders ziemlich bloed. Man sollte Kunst-und-Kultur-Reisender sein, aber das Hindernis dabei ist ja, dass man dann Ahnung haben muesste, damit sich alles mit Leben und Interesse erfuellt. Andererseits glaube ich, dass, wenn ich Ahnung haette und alles ueber Maria Gey-Heinze und Georg Wrba und das aufkeimende buergerliche Selbstbewusstsein undsoweiter wuesste, deshalb dann auch nicht mehr den bloeden Brunnen ansehen braeuchte. Obwohl der Brunnen vielleicht sowas wie das letzte Puzzleteilchen in meinem Bild vom aufkeimenden buergerlichen Selbstbewusstsein sein koennte. Andererseits glaube ich aber, dass auch bei dieser Sorte Reisen vermutlich irgendwie eine Rolle spielen muss, dass/ob der Brunnen schoen ist, und dann tut es mir wieder leid, denn ich kann nicht ignorieren, dass er sich gewissermassen auf dem Mittelstreifen einer achtspurigen Autobahn befindet. Aber vielleicht kann man das eben ignorieren, wenn man Ahnung hat, vielleicht besiegt das Wissen von Georg Wrba und dem aufkeimenden Selbstbewusstsein irgendwie tsching-tschang-tschongmaessig die Autobahn.

Vor einiger Zeit habe ich jedoch ein sehr gutes Gemaelde von einem auf gigantische Proportionen aufgeblaehten gelben Farbstrich gesehen, in der Georg Richter-Schau. Ach, hier gibt es ueberhaupt ein paar gute Bilder.

Ansonsten bleibt man mit mehr Gewinn zuhause, und das will ich auch gern tun. Ich will zuhause bleiben und dem dringenden Ruf der Dresdner Heide folgen, von der aus man an verschiedenen hochgelegenen Stellen aeusserst versoehnlich stimmende Blicke auf die Kirchtuerme der Neustadt hat.

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Koennte ich natuerlich auch selber tun, aber gerade eben habe ich diesen irrsinnigen Armkrampf...

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