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Selbst fuer alttestamentarische Verhaeltnisse ist ja die extreme Gefuehlsarmut und kaum begruendete Gewalttaetigkeit dieser Gibea-Geschichte einigermassen bemerkenswert.
Bemerkenswert ist ebenfalls, dass im fast direkt anschliessenden Buch Samuel Saul, der erste Koenig Israels, nicht nur vom Stamm Benjamin ist, der infolge der Schandtat von Gibea bis auf 600 Mann dezimiert wurde, nun aber durchaus wohlauf erscheint, sondern auch ausgerechnet aus der Stadt Gibea kommt, die, obwohl angeblich verbrannt und entvoelkert, ebenfalls wieder voellig in Ordnung ist.
Die zweite verbrannte und entvoelkerte Stadt, Jabesch in Gilead, Herkunftsort der 400 Jungfrauen fuer die uebriggebliebenen Benjaminiter, ist auch wieder heil und bewohnt und spielt eine Rolle als Schauplatz einer Schlacht mit den Ammonitern, in der Koenig Saul und sein Volk die Ammoniter schlagen und zerstreuen,

so dass von ihnen nicht zwei beieinander blieben.

Und er nahm ein Paar Rinder und zerstueckte sie und sandte davon in das ganze Gebiet Israel durch die Boten und liess sagen: Wer nicht mit Saul und Samuel auszieht, mit dessen Rindern soll man ebenso tun.

Das alles kann auch nicht hunderte Jahre nach der Schandtat geschehen sein, weil naemlich dieser Pinhas immer noch Priester ist - nur am Anfang des alten Testaments leben die Menschen so aberwitzig lange. Er wird allerdings dann abgestraft und muss sterben, weil er sich von dem fuer den HErrn bestimmten Opferfleisch noch mehr unter den Nagel reisst als ihm ohnehin zusteht. Ich wusste ja, dass der nichts taugt.

Hier ist ein ganz guter Text eines Alttestamentsgelehrten, der der Meinung ist, die Schandtat von Gibea sei nicht wirklich passiert (also wirklich im Sinne von Bibel-wirklich), sondern eine Satire auf Saul. Saul, obwohl ich ihn anfangs eigentlich ganz in Ordnung finde, macht naemlich keine sehr gute Koenigsfigur, faellt bald beim HErrn in Ungnade, allerdings nur, weil er sich aus vollkommen begreiflichen Gruenden einmal nicht an irgendwelche Opferregeln haelt, und wird, ohne dass er es aber weiss, sehr bald durch David ersetzt, was ja auch sehr seltsam ist. Also deshalb bietet sich Saul wohl sozusagen als Objekt einer Satire an.
Der gewitzte Gelehrte findet auch noch ein weiteres Indiz, naemlich dass sich Saul einmal unter einem Granatapfelbaum lagert, also die Implikation dieser Textstelle ist wohl mehr oder weniger, dass er sich dort lagert, weil er keinen Mumm hat, und er sich eigentlich lieber nicht lagern, sondern vielmehr exerzieren oder auf der Stelle ueber die Philister herfallen sollte, und das hebraeische Wort fuer Granatapfelbaum ist offenbar Rimmon, und der Fels, auf den sich die 600 uebriggebliebenen Benjaminiter fluechten, bis der Zorn der anderen Staemme abgekuehlt ist, heisst Fels Rimmon.

Sherlock!

Aber ich jedenfalls glaube dem Gelehrten - alle Indizien und Merkwuerdigkeiten zusammen sind ziemlich ueberwaeltigend. Obwohl andererseits die Schandtat von Gibea als Satire auf Saul in meinen Augen voellig verwirrt ist und ueberhaupt nicht den geringsten Sinn ergibt, also wirklich nicht den allergeringsten, was soll denn das bedeuten, dass Saul einmal durch den namenlosen Leviten repraesentiert wird, und einmal durch 600 Benjaminiter, und worauf hebt diese Satire denn ueberhaupt ab und worauf will sie hinaus?
Aber die Grundidee von Satire, dass sie also ihren Gegenstand in verzerrter, aber wiedererkennbarer Weise praesentiert, die ist ja immerhin erfuellt, und die Forderung nach Sinn im Detail mag vielleicht ein Produkt der literarischen Zeit sein. Die Schandtat von Gibea waere dann mehr so eine Art kindlicher Satire, in der dieselben Ortsnamen, ein Wortspiel und viele Tote vorkommen.
Gut genug, um es in die Bibel zu schaffen.

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