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Subtext, ich fluche deiner
2007-11-14 @ 11:35 p.m.

Als neulich diese eine Mutter hierher kam, um meine Raeumlichkeiten zu besichtigen und sich ueber meine Kinderbehandlungsstandards zu informieren, fragte ich sie, um nicht nur selbst pausenlos am Reden und Schleden zu sein, was denn ihre Erwartungen so seien bezueglich der Betreuung ihres Kindes.
Darauf sagte sie, sie erwartete, dass ihr kleiner Goldjohann hier hinkommen koenne und so sein, wie er eben sei. Tja, wenns weiter nichts ist, dachte ich.

Es stellt sich natuerlich heraus, dass der Goldjohann, wo er geht und steht, eine Schneise der Zerstoerung hinter sich laesst, dass er mit ungeheuer fokussierter Energie nach allem strebt und greift, was nicht doppelt festgeschraubt ist, nur, um es im naechsten Moment fahrig fortzuschleudern und mit einer Hand ein Moebelstueck zu ruecken oder ruckhaft eine grosse Kiste Bausteine auszukippen oder schnell irgendjemanden mit dem Puppenwagen ueber den Haufen zu fahren, und dass seine Ohren vollkommen verstopft sind, wenn es sich um freundliche Ermahnungen handelt. Im Nachhinein kann ich mir also schon besser vorstellen, was seine Mutter mit dieser Bemerkung ausdruecken wollte. Man muss viel genauer hinlauschen. Auf den Subtext.

An einem dieser Tage hatte eins der Kinder eine garstige kleine Puppe mitgebracht. Wenn man auf ihren Bauch drueckte, erklang 'Guten Abend gut Nacht' als entseelte Glueckwunschkartenchip-Melodie. Nochmal! wuenscht sich Klein-L. Und Nochmal! Und Nochmal! Welch herrliche Melodie! Welch faszinierender Mechanismus! Welch intrikates Stueck menschlicher Handwerkskunst!
Ich singe sehr regelmaessig fuer die Kinder bzw. mit ihnen und, entgegen dem naheliegenden Scherz, auch gar nicht einmal so schauderhaft. Bei uns steht ein Klavier, auf dem ich ebenfalls spiele und das auch den Kindern zugaenglich ist. Weder mein Singen noch mein Klavierspiel haben dem L. jemals, und ich bin jetzt nicht beleidigt deswegen, ich stelle das nur fest, irgendeine deutliche Reaktion entlockt, geschweige denn ihn nach einer Wiederholung der Erfahrung heischen lassen. Dabei sollte man doch meinen, dass echtes Singen und Musizieren schoener klingen als elektronisches Getuete, und dass es nicht weniger bemerkenswert ist, dass dem menschlichen Leib liebliche Toene entstroemen bzw. er anderweitig welche erzeugt, wie dass eine Puppe auf Knopfdruck eine monotone Melodie hervorbringt.

Jetzt kommt die forcierte Synthese dieser beiden Begebenheiten.

Ich glaube, dass diese Faszination, die Menschen allgemein mit dem Entseelten, mit der Travestie des Lebendigen durch tote Gegenstaende haben, teilweise daher ruehrt, dass man Subtext hasst. Jemandem gegenueberzustehen und sich durch all diesen emotionalen und semantischen Subtext durchzuarbeiten, das kann einfach wahnsinnig unerfreulich sein. Und wenn es nicht der Subtext ist, der einen fertigmacht, dann ist es der eingebildete Subtext.
Wie entspannt ist es dann, sich Fernseher, Pomputer oder Gameboy zu widmen. Stuff happening without any subtext? All right! Count me in triple! Natuerlich ist das nicht alles, Stuff happening without me actually having to do anything at all except push that little button which I will gladly do cause that's the kind of person I am: always obliging ist natuerlich auch eine nicht zu unterschaetzende Motivation. Aber das erklaert nicht, dass man sich etwa muehsam von einer Fernsehtalkshow losreissen muss, wenn ein lebendiger Mensch Anstalten macht, einem etwas zu erzaehlen.

Bei Kindern sieht man das oft in Reinkultur.
Als Mensch, der dem Kind etwas erklaert, zum Beispiel, habe ich ja eine gigantische Agenda, da habe ich das emotionale Beduerfnis, dass das Kind mir Aufmerksamkeit schenkt, meine Ideen darueber, was das Kind wissen sollte, meine potentielle Enttaeuschung, wenn sich das nicht als das erweist, was das Kind interessiert, meinen Meinungspacken darueber, was das Kind fuer einer ist, meine ganze Person mit all meiner verfluchten eigenen Kindheit und ihren tausend Wellensittichen. Wenn da andererseits der Fernseher steht und erklaert, ist es ihm vollkommen egal, ob das Kind sich umdreht und weggeht, oder welchen Gebrauch es von den dargebotenen Angeboten macht. Und genau das erzeugt beim Kind paradoxerweise mesmerisierte Aufmerksamkeit. In Abwesenheit von Subtext ist es ganz allein mit der Maschine und der Information, und das ist irgendwie toll. Das muss man sich mal vorstellen, dass wir als Gattung dahin gekommen sind, dass man sich lieber von einer Maschine was sagen laesst als von einem Mitmenschen.

Nicht alle sind natuerlich dabei so aspergerig wie gewisse kleine Dusseljungen. Ich sage nur: Maedchen mit ihrem sprichwoertlichen Einfuehlungsvermoegen. Ich liebe Maedchen. Ich hasse Subtext.

In diesem Zusammenhang moechte ich gern anregen, das Maerchen Dornroeschen als poetische Darstellung dieser menschlichen Affliktion zu deuten:

Die Spindel im Turmzimmer ist ein mickriger kleiner Gameboy in einer von den treusorgenden Eltern allen Elektronikschrotts entleerten Kinderwelt. Einmal dran gedrueckt - Seele tot. Die hundert Jahre: bis das Oel alle ist.

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Koennte ich natuerlich auch selber tun, aber gerade eben habe ich diesen irrsinnigen Armkrampf...

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