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Saving the world before bedtime I
2009-10-30 @ 12:18 a.m.

Ob man mit Kindern spielen soll, das ist auch so eine Frage. Also, natuerlich soll man mit ihnen Maumau spielen oder Scrabble oder Federball und so, aber ob es eine gute Idee ist, sich in ihr eigenes Spielen hineinzuhaengen, das halte ich fuer ausgesprochen dahingestellt.

Nichtsdestoweniger scheint aber die Notwendigkeit der Beteiligung Erwachsener am Kinderspiel verrueckterweise ein unverzichtbares Dogma der heutigen Kinderbehandlung zu sein.

Hier haben wir zum Beispiel den Text: Rettet das Freispiel! von der Seite Kindergartenpaedagogik.de, die eine Menge teils recht einfaeltiger, teils einigermassen feinsinniger Artikel ueber das Kindergarten- und Krippenwesen vereint.
Das Freispiel soll gerettet werden vor der Verschulung des Kindergartens, will heissen der Dominanz organisierter und angeleiteter was sie so Angebote nennen. Das ist erstmal komplett in Ordnung, keine Frage. Aber am Ende des Textes wird so spektakulaer die Notbremse gezogen, dass es einen praktisch mit nach vorn reisst:

Freispiel und Rollenspiel d�rfen aber keinesfalls den Kindern �berlassen, sondern m�ssen von den Erzieher/innen gepflegt werden, beispielsweise indem

* eine vorbereitete oder "angereicherte" Umwelt geschaffen wird,
* geeignete Spielmittel bereit gestellt werden,
* Kinder zum Spielen angeregt werden,
* eine entspannte, ruhige Atmosph�re gew�hrleistet wird,
* Kinder an Regeln herangef�hrt werden,
* der Spa� am Spiel erhalten wird und
* Spiele m�glichst nicht unterbrochen werden.

Erzieher/innen sollten spielende Kinder also genau beobachten und eingreifen, wenn diese die im Spiel liegenden Bildungschancen nicht nutzen. Sie k�nnen dann durch Mitspielen bzw. Anleitung die Qualit�t des Frei- oder Rollenspiels verbessern, neue Ideen einbringen oder durch Fragen (kognitive) Anregungen bieten.

Keinesfalls den Kindern ueberlassen. Wenn diese die im Spiel liegenden Bildungschancen nicht nutzen. Was ist das denn fuer ein Freispiel, das jeden Moment genau beobachtet und daraufhin durchmustert wird, ob die enthaltenen Bildungschancen auch gewiss optimal genutzt werden, und das dann Gefahr laeuft, von einer Erzieherin durch unerbetene Anregungen in eine ihr opportun scheinende Richtung gelotst zu werden?

Im "Praxisbuch Krippenarbeit" heisst es:

Nur zuschauen? Nein, als Erwachsene brauchen uns die Kinder, damit wir deren Spiel bereichern. Ein gerne gesehener Beitrag von Paedagoginnen ist es, weitere Impulse zum Spielgeschehen beizusteuern, welche die eher schmale Bandbreite von den Kindern erweitern.
Dass Kinder Erwachsene brauchen, die ihr Spiel bereichern, ist sogar korrekt. Sie brauchen die aber eher weniger in der Form von Einbringern mueder, klischeehafter Spielgesten, sondern als Leute, die anschauliche und inspirierende Erwachsenentaetigkeiten verrichten, fuer die man sich interessieren, an denen man sich eventuell beteiligen und die man in seinem eigenen Spiel verarbeiten kann. Also solche Erwachsene, die sie heute praktisch nicht mehr um sich haben.

In beiden Zitaten faellt ein merkwuerdig herablassender Blick auf das Kinderspiel auf. Man muss da selbst Hand anlegen, damit die Kinder mal was Anstaendiges zustandebringen. In der Spielecke, dem letzten Rueckzug vor der wahnsinnigen Ubiquitaet des Erwachsenen, der sich, anstatt sich um seinen eigenen Kram zu kuemmern, zwischen dem Kind und jedem Phaenomen der Welt mit nie endendem Kommentar und immerwaehrenden paedagogischen Heranfuehrungs-Strategien aufbauen muss, in der Spielecke also hockt infamerweise auch schon wieder ein Erwachsener und hat Qualitaet und Bildungsprozesse mitgebracht.

"Hilfen zum Sehen," nennt sich ein anderer Artikel auf der Kindergartenpaedagogik-Seite. Das ist auch so ein ganz typisches Zeug. Wahrnehmungsfoerderung. Hilfen zum Sehen! Dort will man den Kindergartenkindern aufnoetigen, sich Zauberbrillen zu basteln. Vielleicht waere ja fuer eins von ihnen in drei Jahren mal von selbst die spielerische Notwendigkeit entstanden, sich eine Zauberbrille zu machen (obwohl das eigentlich auch nur Erwachsene meinen, dass das so unheimlich kindertypisch sei, sich Zauberbrillen und solchen Kram zu wuenschen), aber jetzt natuerlich mit Sicherheit nicht mehr.

Und der Witz ist ja, dass durch diese Politik keinesfalls die erwarteten Feuerwerke kreativen Spiels entfacht werden.
Frueher waere es niemandem im Traum eingefallen, Kinder zum Spielen irgendwie anzuregen, nicht mal, sie bei ihrem Spiel auch nur zu beobachten. Spielen war der Job von Kindern und Erwachsenenzeug der von Erwachsenen, und das war das. Eigentlich ist ja allgemein bekannt und nahezu Gemeinplatz, dass Kinder unter diesen Bedingungen durchaus ganz auf sich gestellt stundenlang Stuhleisenbahn oder Laden, Expedition, Hochzeit, oder Familie spielen konnten, dass sie ganz allein bauen, basteln und naehen und sich selbst zu Experten im Drachenbau, zu Chemikern, Radiobauern oder Naturforschern entwickeln konnten, dass sie komplexe Spielszenarien hervorbringen, Schlachten und Puppentheater auffuehren und ganze Phantasiereiche erfinden konnten (Nachlesen ueber die Geschwister Bronte bei Arno Schmidt!).
Im Vergleich dazu nimmt sich das zaghafte, abortive Spiel heutiger Kinder armselig aus. Aber stellt da vielleicht mal jemand eine Verbindung her?

Wie waere es denn, wenn Erwachsene, die meinen, sie haetten zum Kinderspiel irgendetwas beizutragen, sich verheerend irrten? Vielleicht muss die Spielerei ja garnicht optimiert werden? Vielleicht wird ja im Gegenteil das Spiel irreversibel beschaedigt dadurch, dass der Erwachsene in seiner zwangslaeufigen Uebermacht dem Kind das Gefuehl gibt, in seinem ureigenen Job unzulaenglich zu sein und ihm damit den Mut zum Spielen nimmt?
Vielleicht mag es moeglich sein, auf irgendeine Zen-Weise mit einem Kind zu spielen, ohne es zu entmutigen, vielleicht gibt es ja seltene Erwachsene, die angesichts des langweiligen und verbesserungsbeduerftigen Spieltreibens nicht dem Zwang unterliegen, es erstmal etwas aufpeppen und dann erheblich beschleunigen und begradigen zu muessen. Ich bins jedenfalls nicht (und ich habe mich am Spiel meiner Kinder von Anfang an auch unglaublich versuendigt, was das angeht). Vielleicht gibt es Erwachsene, denen es ehrlich Spass macht, mit ihren Kindern zu spielen und sich dabei ohne jeden Hintergedanken ihrer Fuehrung zu unterwerfen. Aber zu denken, man muesse sich da jetzt mit hinhocken, das halte ich mittlerweile fuer voellig verkehrt.

Andererseits ist es natuerlich klar, dass in einer Umgebung, die den Kindern kaum Einblicke in die Erwachsenenwelt gibt, das Kinderspiel verarmt. Eigentlich aehnlich klar, wenn auch (Alleine spielen ist macht doof! - Kindergarten-affirmierender Wahlslogan der Gruenen in Sachsen) wenig salonfaehig, dass in einer Gruppe von vierzehn gleichaltrigen Kleinkindern sich alle gegenseitig wahnsinnig machen und laengeres vertieftes Spielen eher die Ausnahme ist.
Solche Bedingungen sind unguenstig und es mag sein, dass dem beobachtenden Erwachsenen das Spiel dieser Kinder nicht zu unrecht verbesserungsbeduerftig vorkommt. Vielleicht ist es unter diesen so verkehrten Umstaenden nicht ganz verkehrt, sich als Erzieherin einzuklinken, um mehr Kontinuitaet und Tiefe in die Spielsituation zu bringen. In dieser Lage brauchen die Kinder so viel wie moeglich ausgleichenden Umgang mit erwachsenen Personen, die sich nicht so erratisch verhalten wie die gleichaltrigen Kollegen. Wenn sie diesen Umgang auf dem Fussboden beim gemeinsamen Korkenrollen bekommen, wie ein weiterer Artikel empfiehlt, ist das sicher besser, als wenn er ihnen ganz entgeht.

Ich denke aber, sich aus dem Kinderspiel ganz konsequent herauszuhalten (und dazu muss man heutzutage natuerlich schon eine ganz bewusste, geradezu gewaltsame Anstrengung unternehmen), ist aus zwei Gruenden ziemlich richtig:
Erstens, wie gesagt, damit man ihnen nicht ihren freien, geschuetzten Raum usurpiert, in dem sie sich so mit der Welt auseinandersetzen, wie sie es fuer richtig halten und in ihrem eigenen Tempo ihre wirklich eigenen Entdeckungen machen (und nicht solche, die man fuer sie festgelegt hat).
Und zweitens auch, damit die Grenzen zwischen Kindern und Erwachsenen nicht verschwimmen. Kinder wollen zu den Erwachsenen aufsehen und sehen, was die so machen, worin so das Erwachsenenleben besteht, und das dann nachahmen. Dadurch, dass sie Erwachsene sehen, die wiederum Kinder nachahmen, kann eigentlich nur Verwirrung und Ziellosigkeit entstehen.

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Koennte ich natuerlich auch selber tun, aber gerade eben habe ich diesen irrsinnigen Armkrampf...

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