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Rettet das Kinderspiel!
2010-04-07 @ 11:47 p.m.

Viele, oder die meisten, buergerlich empfindenden Menschen meinen ja, man muesse elektronisch gesteuertes Spielzeug bannen, oder welches aus Kunststoff. Sie finden es etwa wuenschenswert, dass Kinder mit hoelzernen Replikas von Kochherden spielen, waehrend sie solche aus Plastik ablehnen. Andere meinen, Puppen muessten neutrale und moeglichst detailarme Gesichter haben, weil das die Kinder dazu anregt, sie in ihrer Phantasie mit einem regen Minenspiel auszustatten. Vieles an diesen Praeferenzen, auch wenn man sie als ebenfalls buergerlich empfindender Mensch, vollkommen teilt, bleibt eigentlich unklar. Wenn es einem Kind gelingen kann, sich eine neutral verstaendnislos schauende Puppe zum Beispiel weinend, zornig, muede oder ekstatisch vorzustellen, ist das bei einer wirklich haesslichen, widerwaertig grinsenden Puppe vielleicht ein bisschen schwerer, aber sicher auch kein Ding der Unmoeglichkeit. Und um wieviel mehr wird dadurch erst die Phantasie beansprucht und geuebt! Und was ist das eigentlich mit diesem ewigen Holz? Obwohl ich jetzt verstehe, dass dieses Holz darauf hinauswill, dass der daraus hergestellte Artikel eine symbolische Repraesentation und kein Faksimile des entsprechenden Gegenstandes ist und von der kindlichen Phantasie mit Leben erfuellt werden moechte, weiss ich aber noch, wie mich dieses Holzzeug als Kind angepiept hat. Ich fand das vollkommen unbefriedigend.

Ich denke, in Wahrheit ist es so, dass Spielen mit Spielzeug den Keim zu seinem eigenen Untergang schon in sich traegt und man das in keiner Weise verhindern kann, auch nicht durch hoelzerne Prinzessinenkleider.

Wenn ein Kind das Beduerfnis hat, zum Beispiel ein Puepplein zu wiegen, kann es sich vorstellen, dieser Tannenzapfen oder Maiskolben da sei eine kleine Puppengestalt, und kann ihn zur Unterstuetzung dieser Fiktion noch in ein Taschentuch oder dergleichen huellen.
Fettdruck: Sich mit diesem Maiskolben befassen ist kindliches Spielen, also mit der Kraft der Phantasie die Dinge veraendern und fuer sich arbeiten lassen.

Nichtsdestoweniger wird dieses Kind begeistert sein, und wer koennte es ihm verdenken, wenn seine Mutter ihm eine aus einem Leinenlappen genaehte Puppe mit Wollhaaren und Flickenkleid praesentiert. Spaeter wird es von einer Porzellanpuppe mit goldenem Lockenhaar, Lederschuhen und Garderobe fuer jeden Anlass traeumen. Seine Nachkommen werden erst vermeintlich am Ziel ihrer Wuensche sein, wenn ihre Puppe sich Substanzen einfloessen laesst und in die Windel macht, sich bewegt und elektronisch lautiert wie ein Baby.
Wieder Fettdruck: Sich mit dieser Puppe befassen ist das Gegenteil von Spielen, naemlich das Bedienen eines Geraets, also die Unterwerfung unter die Anforderungen, die die Dinge an einen stellen.

(In dem folgenden Schritt, der Virtualisierung der Puppe, ist die von der Phantasie zu erbringende Leistung Null: Das Computergeschoepf bewegt sich, redet und reagiert in komplexen Sequenzen und die Moeglichkeiten, mit ihm umzugehen, sind auf die von der Software bereitgestellten Optionen beschraenkt, der Benutzer ist also fast vollkommen unterworfen. Irre ist aber wiederum, dass er nun eine ganz neuartige Leistung erbringen muss, naemlich die, davon zu abstrahieren, dass eigentlich nichts da ist ausser einem Bildschirm).

Jedenfalls, das Argument kann man fuer alle Arten von Kinderspielzeug durchexerzieren und es laeuft immer aufs Gleiche hinaus. Kochherde, vom Baumstumpf zur Fischer Price-Kochecke bzw. zum Kochherd, der richtig angeht. Autos, Eisenbahnen (von der Stuhlreihe zur Modellbahn), Bausteine (von Sand, Steinen und Hoelzern ueber die ach-so-wertvollen Froebelsteine zum Legobaukasten fuer die Harry-Potter-Folterkammer).

Nun machen also die buergerlich empfindenden Menschen zum Leidwesen ihrer Kinder gewaltsam Halt an irgendeiner Stelle dieser Sukzession.
Aber so recht eigentlich: welcher Schritt der Puppen-, beziehungsweise Kochherd-, Auto-, oder Baukastenparade folgt denn nicht vollkommen nachvollziehbar auf den vorigen? Inwiefern genau unterscheidet sich der Wunsch nach lebensechtem Goldhaar von dem Wunsch nach lebensechten Schluckgeraeuschen?
Und wenn man dem armen Kinde selbstverstaendlich die Lumpenpuppe nicht verweigern will, auf welcher Basis verweigert man ihm dann die Baby Born mit durch Schlaf- und Wachschnuller gesteuerten Augenlidern und echter Ausscheidung?

Spielen ist einfach ein transientes, sich selbst abschaffendes Phaenomen und fertig. Das Spiel bringt mit dem Spielzeug seinen eigenen Moerder hervor, ohne dass man daran durch alles Holz der Welt etwas aendern koennte. Und das ist dann natuerlich auch wieder mit allem moeglichen anderen ganz schoen verwoben, also eigentlich vollkommen irre - spielende Kinder wachsen natuerlich zu anderen Menschen heran als geraetebedienende, sollte man meinen.

Das alles hat aber natuerlich keinerlei Auswirkungen darauf, dass ich - hoffentlich - mindestens so buergerlich und blauaeugig bin wie jedermann. Vor ein paar Tagen habe ich fuer Manfi fuer 80 Euro ein neutral blickendes Seelchen von Waldorfpuppe angeschafft, und da bin ich jetzt unheimlich stolz drauf.

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Koennte ich natuerlich auch selber tun, aber gerade eben habe ich diesen irrsinnigen Armkrampf...

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