Kenner wenden sich hier links Teil 2
2004-11-23 @ 12:20 p.m.
Der O-Train, eine Art sehr junge und sehr limitierte S-Bahn (die fuer von Bruecken runterkuckende Kinder hupt!), benutzt ein Stueckchen vom
Gleisbett der ehemaligen Canadian-Pacific Railway - Kanada ist mal ein grosses Eisenbahnland mit dutzenden von Eisenbahngesellschaften
gewesen, Ottawa hatte einen Luxusbahnhof in der mittelsten Mitte der Stadt, mit dem riesigen Nobelhotel Chateau Laurier gleich daneben,
heute faehrt auf dem an die Peripherie ausgelagerten unvergleichlich oeden, aber riesigen Trauerbahnhof vielleicht alle drei Stunden ein Zug.
An der Bayview-Endhaltestelle vom O-Train geht man nicht zur Scott Street hoch, sondern folgt dem Pfad,
der hinter dem goldigen kleinen Prellbock anfaengt und durch eine dieser vernachlaessigten kleinen Landschaften fuehrt, die im Schatten
von Schnellstrassen und Eisenbahnlinien entstehen, Ruderalflaeche heisst das. Man unterquert den Ottawa River Parkway
(Graffiti und ein ausgebrannter Bauwagen, beziehungsweise angeblich das ehemalige Bruecken-Signalhaeuschen ) und landet am Fluss,
direkt am Anfang einer verlassenen Eisenbahnbruecke. Man kann natuerlich auch einfach den asphaltierten Radweg am Fluss langkommen, aber dann
ist man nicht so gut eingestimmt.
Foto von Dave Alburger
Die Prince of Wales-Bruecke, erster Zug 1880, letzter Zug 1997, fuehrt ueber die Insel Lemieux Island, wo sich ein Klaerwerk
und ein Hundepark befinden, hinueber nach Hull auf der Quebecseite.
Sie ragt schoen, lang, rostig und monumental, Gluecksfall eines Denkmals, dem man sich zufaellig und unangeleitet naehern kann.
Trespassing ist pro forma verboten, aber es ist nichts abgesperrt. Neben den Schienen gibt es einen Weg auf erst vier, spaeter drei fetten
schwarz impraegnierten Schwellen, als Gelaender ein Stahlseil, oder auch keins, der Hund traut sich nicht ueber die Spalten, weil er
in diesem Moment von einer ausnahmsweise uebertriebenen Wahrnehmung seiner eigenen Kleinheit ueberwaeltigt wird. Auf der einen Seite
sieht man Ottawas Entschuldigung fuer Downtown, immerhin, auf der anderen fast nichts als den breiten und immer breiteren Fluss, unter Umstaenden
weht einem der Wind den Kopf ab. Ich weiss auch nicht, das ist vermutlich unreif, aber da kann einem doch die Golden Gate Bridge
tausendmal gestohlen bleiben. Uebrigens war ich bei der Golden Gate Bridge. Aber ich bin immer bloss mit dem Auto ruebergebraust.
Einen Fluss ueberqueren geht anders.
Ach ja, im Sommer kann man natuerlich dort sitzen, auf der Prince of Wales-Bruecke, seine Beine ueber dem Abgrund baumeln und Wein
trinken, wenn man sich davon etwas verspricht und einem das nicht zu albern ist. Man muss ja immer aufpassen, weil man von Gott verpflichtet
wurde, niemals und unter keinen Umstaenden albern zu sein. Deshalb darf man auch nur coole Buecher kaufen und nicht etwa
fragen 'Haben Sie die Motorcycle Diaries?'. Es ist hart und niemand weiss es zu schaetzen, aber so ist es nun einmal.
Auf der Hullseite gibt es auch einen Radweg, den kann man Richtung Downtown bis zum Ende langgehen, durch einen wilden Park, in Abstaenden gibt es Trampelpfade zum Fluss, wo Menschen Feuer gemacht haben oder angeln oder, weissgott, womoeglich uebernachten
(da hat einmal 'The cats cradle' von Kurt Vonnegut in einem alten Lagerfeuer gelegen, aber es war ganz
durchgeweicht, deshalb weiss ich nicht, ob es was taugt, dieser Vonnegut ist hier irgendwie beliebt), und dann
zurueck nach Ottawa ueber die Portage und Chaudieres Bruecken, die verschiedene Inseln verbinden, auf denen es unfassbar tolle ruinoese alte
Saegewerke, Staudaemme,
gelbschaeumende Wasserfaelle und alle moeglichen anderen alten
Industrieartefakte gibt, sowie die immer noch richtig echt und in
Sichtweite des kanadischen Parlaments arbeitende
Papierfabrik DOMTAR, die ihre Angestellten mit einem in blauen Kieseln auf weiss gestreuten Namenszug und zwei buntbeleuchteten
Weihnachtsbaeumen anheimelt.
Mit anderen Worten, wir haben immer noch keine Kamera, beziehungsweise schon wieder keine mehr.
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Ruhmsuechtig!
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Koennte ich natuerlich auch selber tun,
aber gerade eben habe ich diesen irrsinnigen Armkrampf...
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