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Kreativ ist das neue Hobby
2007-09-26 @ 6:07 p.m.

Grob gesagt hat ja jede kinderinteressierte Epoche ihre spezielle Brille, durch die sie auf Kinder schaut und die sie mehr oder weniger am Sehen hindert. Kleine Wilde, deren boshafter Eigenwille gebrochen gehoert, wandelnde Selbstmoerder und Bakterienschlecker, deren Aufzucht eine wissenschaftliche und hygienische Herausforderung darstellt, wahre Anarchisten, von denen wir alle viel lernen koennen, sehr sehr empfindsame Seelchen, die man pausenlos umfaecheln und beschaeftigen muss.

Und die kreativ sind.

In der Generation meiner Eltern gab es glaube ich die universale Uebereinkunft, Babies wuerfen ihre Schnuller und sonstige Gegenstaende herunter, um die Idee der Objektpermanenz, die sie gerade erwuerben, zu testen. Man muesse ihnen diese Gegenstaende daher unter allen Umstaenden wieder reichen. So wird von mir erzaehlt, ich haette meine kranke Oma noch und noch nach meinem Schnuller durchs Zimmer gehetzt. Entsprechend habe ich eine felsenfeste Idee von Objektpermanenz, die auch das tagelange Verschwundensein von Karlas Schulblockfloete unbeschadet ueberstanden hat. Sie war doch in ihrem Fach!

Heute ist die Uebereinkunft, dass Kinder aus schierer Kreativitaet gern blaue Sonnen malen und Dinge fragen wie: Wie klingt rot? oder Wie tanzt das Schneefloeckchen? zum Beispiel. (Wenn Meta etwas fragt, dann meistens: Wie kann es sein, dass Bibombl kleiner ist als Diddl? Karla fragt gerade: Wie es wohl in so einer Fadenfabrik aussieht?)
Und wenn ein Kind so eine blaue Sonne gemalt haette, duerfe man ihm auf keinen Fall sagen, die allgemeine Verabredung sei aber, die Sonne gelb anzumalen, sondern man muesse eine kleine Rede halten, in der man anerkennt, dass jeder seine eigene Sichtweise auf die Welt habe und wenn dem Kind die Sonne nun einmal blau erschiene, dann sei das eine legitime Ausuebung seines Rechts auf Freiheit im kreativen Ausdruck, und man muss deutlich machen, das sei ganz speziell lobenswert.

Vermutlich erwerben Kinder ja tatsaechlich irgendwie die Idee der Objektpermanenz, sofern sie nicht doch angeboren ist. Und es ist sicher nett, wenn man seinem Kind dabei unter die Arme greifen will - aber auch symptomatisch, dass man meint, das sei noetig. Was bei dieser Uebung rueberkommt, ist vielleicht eher: Durch Vortaeuschen von wissenschaftlichem Interesse kann ich mir Aufmerksamkeit sichern? Oder einfach: Oma springt im Zimmer herum, wenn ich meinen Schnuller werfe?
Ich kann mich auch nicht erinnern, dass dieses Gewerfe bei meinen Kindern eine Rolle gespielt haette, was dafuer spraeche, dass dieses Verhalten durch die spezielle Optik der Elterngeneration zumindest verstaerkt wird. Karla hat allerdings auch Stein und Bein geschworen, ihre Floete sei nicht da.

Und sicherlich ist es nett, wenn man Kindern nach langen Jahren der Herabwuerdigung ihrer Malleistungen, in denen man sie gezwungen hat, hier einen braunen Strich und da ein paar gelbe Flecken zu machen, denn so sieht der Forsytienzweig aus, den wir hier malen wollen, mal eine sehr ausgedehnte Pause goennt.

Ich bin natuerlich auch die letzte, die darauf herumreitet, dass die Sonne aber gelb ist. Aber a) bin ich auf den Kreativitaetsgedanken dieser Verwaltungsmuttis, der im wesentlichen blaue Sonnen und Windowcolor-Schluempfe und 'Mein Gefuehl heute'-Bilder mit schwarzen Strudeln und rosa Baeuschen beinhaltet, eh furchtbar allergisch.

Und b) liegt der Idee von der kindlichen Kreativitaet, die man mit der Kritik der blauen Sonnen angeblich erstickt, fuer meine Begriffe ein grundfalsches Kinderbild zugrunde. Kinder wollen eigentlich nichts weiter als wissen, wie sie die Sonne anmalen sollen, damit es richtig ist. So sind die naemlich drauf. Zwangslaeufig.
Kinder sind dabei, sich praktisch aus dem blanken Nichts ein funktionierendes, anwendungs- und konsensfaehiges Bild von der Welt zu machen (wenn wir schon von Kreativitaet reden), und dabei brauchen sie die Rede darueber, wie wir alle die Dinge verschieden sehen und manchem erschiene die Sonne eben blau, so noetig wie ein drittes Bein. Und dabei haben sie auch nicht so richtig Platz fuer Picasso. Und dabei haben sie auch keine Verwendung fuer grossartiges Hinterfragen, worin Kinder ja angeblich so gut seien. Kinder brauchen anwendungsfaehige Information darueber, was der allgemeine Konsens, die allgemeine Verabredung ueber irgendetwas ist und fertig. Wenn sie tatsaechlich mal was hinterfragen, ist das meistens ein Unfall.

Zeigen Sie mir ueberhaupt mal ein Kind, das gegenueber Picasso und Kollegen nicht eine geradezu zornige Abneigung empfaende. Dass ein Erwachsener, der eigentlich besser wissen muesste, wo die Augen zu sitzen haben, sich entweder bewusst oder doch aus schockierender Ahnungslosigkeit dafuer entscheidet, Monstrositaeten zu malen! Obwohl er es in der Hand haette, die praechtigsten grossaeugigen Damen und Pferde zu schaffen!

Der Zustand der Ahnungslosigkeit, von dem sie zurecht meinen, er muesse schleunigst ueberwunden werden, wird ihnen hier von der Erwachsenenwelt, zu der sie eigentlich auf verwendbare Information hoffend aufblicken (auch wenn sie vielleicht schon genug Ego haben, um sich ungern ausgerechnet von dir belehren zu lassen), als etwas besonders Erstrebenswertes zurueckgespiegelt. Was fuer eine beklagenswerte Verwirrung.

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