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1986(?) - Nur fuer den innerkirchlichen Gebrauch
Diese Geschichte habe ich Benjamin bereits erzaehlt, und wenn ich etwas hier schreibe, was ich Benjamin schon erzaehlt habe, habe ich immer das Gefuehl, ich wuerde Gott betruegen. Aber was solls. Der Betrieb muss weitergehen.
Als ich in der neunten Klasse war, oder vielleicht in der zehnten, hatte ich einmal aus einer der Kirchen, die meine Mutter wegen des Kunstgenusses gern mit mir besichtigte, ein Blatt mitgenommen, gelblich und verwaschen, das dazu aufrief, im Rahmen irgendeiner Aktion Paeckchen an arme Kinder zu schicken. Weihnachtspaeckchen, nehme ich an. Nun hat es ja viel unnuetzes Gerede darueber gegeben, dass ich bekanntlich gern armen Kindern Paeckchen schicke, wie auch immer, es ist wahr, und es war damals schon so. Arme Kinder und Paeckchen, das gehoert fuer mich einfach zusammen. Kurzum, ich wollte Gutes tun. In einer Pause trat ich nach vorn und weihte meine Mitschueler in die Details dieser Aktion ein, schrieb die Adresse an die Tafel undsoweiter. Viele von ihnen wollten auch gern Paeckchen schicken. Unter normalen Bedingungen haette es damit sein Bewenden gehabt, ein oder zwei Menschen haetten vielleicht Paeckchen geschickt und ein oder zwei arme Kinder haetten darin, hoffentlich zu ihrer Beglueckung, Bleistifte und Kaugummi gefunden. Aber dies war die DDR, Gott hab sie selig. Dort war immer alles so wichtig. Einer meiner Mitschueler erzaehlte zuhause davon, und nach ein oder zwei Tagen musste eine Abordnung der Paeckchenschicker in spe zur Direktorin. Das war alles natuerlich vollkommen illegal! Auf dem gelblichen Blatt hatte es, wie auf allen Blaettern dieser Art, einen Stempel gegeben, der sagte: 'Nur fuer den innerkirchlichen Gebrauch'. Dazu muss man wissen, was ich nicht wusste, dass es zu dieser Zeit natuerlich vollkommen unmoeglich war, dass jemand einfach so etwas drucken oder vervielfaeltigen lassen konnte, dass die Kirche fuer ihre Pamphlete und Produkte aber eine Sonderdruckgenehmigung hatte, die mit der Verpflichtung verbunden war, auf alle Druckerzeugnisse eben 'Nur fuer den innerkirchlichen Gebrauch' raufzustempeln und sie nicht andernorts zu verbreiten. Ausserdem muss man wissen, dass die Produkte des Kirchenlebens fuer die offizielle DDR Pest und Cholera waren, nicht, weil Religion Opium fuer das Volk ist, sondern ungefaehr weil unter dem Dach der Kirche Menschen in, bei aller leidenschaftlichen Liebe, doch mit den Namen 'Friedenskreis' und 'Umweltbibliothek' irrefuehrend bezeichneten Gruppierungen an illegalen Dingen wirkten, welchen, weiss ich nicht genau, ich selbst bin drei Jahre spaeter ein einziges Mal bei irgendsoeiner Versammlung gewesen, dort fand im wesentlichen statt, dass alle sich eintraechtig darueber empoerten, dass ihnen schon wieder irgendwelche Stasileute hinterhergekommen seien, was ich albern fand, aber ich war gehirngewaschen, also hoeren Sie nicht auf mich. Im wesentlichen genuegte es ja damals, ein Transparent hochzuhalten, auf dem 'Schwerter zu Pflugscharen' oder 'Gegen faschistische Tendenzen' stand, um grossen Aufruhr zu erzeugen und verhaftet zu werden. Sehen Sie hier diese Seite, da koennen Sie sich schoen informieren. Die Direktorin kam mir hinterhergetobt mit dem ganzen Teller und herrschte mich an, ich sollte doch gleich alle nehmen. Anstatt zu sagen, oh, das waere aber wirklich nicht noetig gewesen, habe ich mich natuerlich profundest entschuldigt und bin zum Baecker gegangen, wo ich eine ganze verdammte Tuete mit allerlei Backwerk kaufte, dessen Annahme die Direktorin aber verweigerte. Ja, so war das. Froehliche Weihnachten, hier ist jetzt Pause, denn ich muss noch alle Gardinen waschen, ueberall neue Flickenteppiche hinlegen und alle Steckdosen mit einer Krause aus gruenrotem Krepppapier verzieren.
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